Es wäre natürlich der angenehmere, bequemere Weg, die Seite der Schwarzseher, der Kritiker, der Berufsnörgeler zu wählen. Dann wäre klar, dass auch 2020 nichts passieren und an den Schulen bestenfalls der Stillstand verwaltet werden würde, wir technisch sowieso abgehängt seien und nebenbei auch kein Geld für eine Exkursion zum erfolgreichen Musterbeispiel Estland vorhanden sei…

Ich sehe das anders. Und wenn ich einige pragmatische Wünsche für das Jahr 2020 und das nächste Schuljahr formulieren soll, wähle ich sowieso lieber die konstruktive Seite. Zu viel ist möglich im System Schule, so vieles lässt sich derzeit verändern und neu gestalten.

Was haben wir? Ziele für 2020

Etwas positiver gestimmt ist vielleicht auch, wer bei Twitter etwas zurückblättert und einen Blick auf die Ausführungen des Staatssekretärs für Digitalisierung in Niedersachsen, Stefan Muhle, vom November 2019 wirft.

Dessen Zieldefinition auf einer Tagung in Loccum zeigt die großen Themen auf, die auch alle in dynamischer Entwicklung befindlichen Schulen beschäftigen: Viele erarbeiten engagiert Medienkonzepte, treiben Schulentwicklung im Sinne des Lehrens und Lernens unter den Bedingungen der Digitalität voran und entwickeln in Eigenregie die technisch-pädagogische Infrastruktur weiter.

Die Liste liest sich ein bisschen wie jede schulische Wunschliste (daher wäre es natürlich noch schöner, wenn die Zeilen aus einer Feder des Kultusministeriums stammen würden):

  • Gigafähige Versorgung aller Schulen in Niedersachsen bis zum Schuljahr 2021/22.
  • Individuelle Medienkonzepte aller Schulen in Niedersachsen für zeitgemäßes Lernen bis zum Ende des laufenden Schuljahrs.
  • Eine Anpassung des §71 Abs. 1 NSchG im Sinne der Einführung von BYOD-Konzepten in den Schulen in Niedersachsen bis zum Ende des laufenden Schuljahrs.
  • Datenschutzkonferenz im 1. Quartal 2020.
  • Sicherstellung der Ressourcen für den IT-Support bis zum Ende des laufenden Schuljahrs.
  • Entwicklung verschiedener Basisqualifizierungsmodule für Lehrkräfte bis zum Ende des laufenden Schuljahrs.
  • Klärung der Beschaffung und Finanzierung von Endgeräten für Lehrkräfte im 1. Halbjahr 2020.
Einige ganz pragmatische Wünsche für 2020... 1
Zieldefinition seitens des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (Stefan Muhle), Abrufdatum: 01.01.2020.

Was fehlt? Eine effiziente Verzahnung aller Ebenen

Wo fehlt noch die entscheidende Verzahnung? Das Zusammenspiel von Land, Schulträger und Einzelschule scheint derzeit nicht mit der rasanten Entwicklung mithalten zu können. Alle sind bemüht, aber es scheint noch große Unsicherheiten in der Handhabung solch ungewohnt dynamischer Entwicklungsfelder, die alle Ebenen betreffen, zu geben…

Ist das vielleicht sogar gut, um eventuelle überstürzte und unüberlegte Entwicklungen im Bildungssektor zu verhindern?

Ist das schlecht, weil die Schulen jetzt vom gesellschaftlich-technologischen Wandel abgehängt werden?

Klar ist: Das Lernen und Arbeiten mit, an und über Medien wird sich kontinuierlich weiterentwickeln und alle Bereiche des Lehrens und Lernens durchdringen. Schule und Bildung werden sich gegen alle Beharrungskräfte verändern.

Welche Wünsche ergeben sich daraus für 2020?

Die großen Themen werden in Angriff genommen, aber was fehlt noch aus der ganz pragmatischen Schulperspektive? Hier nur einige Aspekte, die auf der Wunschliste für 2020 ganz oben stehen:

Top 1 für alle Schulen derzeit: Ausstattungsplanung

Eine zügige und schulorientierte Umsetzung des „DigitalPakt Schule„: Hier scheint es derzeit zu haken. Die Medienkonzepte liegen vor, viele Anträge sind bereits eingereicht, die Kollegien sind bereit, auch Medienentwicklungspläne sind vielerorts fertig – was fehlt? Die Budgetierung der versprochenen Fördermittel zum Ausbau der technisch-pädagogischen Infrastruktur. Sollte es am Ende wirklich auf den zähen Prozessablauf, den ein Mitarbeiter des NLQ im Mai 2019 vorhersagte, hinauslaufen? Zwischenzeitlich waren viele Beteiligte etwas optimistischer…

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Umsetzungsprozess DigitalPakt – Einschätzung vom Mai 2019 (Christian Schlöndorf), Abrufdatum: 21.05.2019.

Top 2: Personalplanung / Personalbudget

Die Ausstattung der Schulen liegt im Aufgabenbereich des Schulträgers. Die Personalplanung beim Land. An vielen Schulen laufen derzeit umfassende Maßnahmen zur schulinternen Fortbildung – meist mit hohem Engagement, aber wenig Kompensation. Hier ist das Land als personalverantwortliche Stelle gefordert:

  • Auch in diesem Bereich sollten engagierte Schulen mit einem ausgearbeiteten Digital-Konzept Unterstützung durch das Land erhalten und bspw. in Form von Sonderbudgets für externe Fortbildungen in diesem aktuellen Schwerpunktbereich unterstützt werden.
  • Im Rahmen des aktuell stattfindenden, politisch gewollten digitalen Wandels erfordern insbesondere diese Projekte häufig einen hohen Zeitaufwand, den die Schulen nur ansatzweise in Form von Stundenentlastungen kompensieren können. Auch hier wäre nach bisherigen Erfahrungen das Land gefordert, könnte doch eine Zuweisung zusätzlicher Entlastungs-/Flex-Stunden für begründete Projektvorhaben erheblich zur Motivation und zur Beschleunigung der zeitintensiven Projekte im Bereich Digitalisierung beitragen.

Oder wie sollen Kolleginnen und Kollegen es dann noch nachvollziehen, dass der groß angekündigte DigitalPakt Schule zwar die Ausstattung von Schulen fördert, nicht aber die genauso dringend nötigen Personalaufwendungen umfasst?

Top 3: Unterstützungsmaßnahmen für die Kollegien / Arbeitsmittel

Der letzte Punkt aus der Liste könnte es in sich haben. Sollte es am Ende doch zu einer Ausstattung der Kollegien mit Lehrerendgeräten kommen? Von Gewerkschaften und Personalvertretungen schon lange gefordert, blieben die Kollegien bisher weitgehend auf sich gestellt. Tablets bspw. werden – auch wenn sie als Arbeitsmittel ausschließlich dienstlich genutzt werden – in der Regel privat angeschafft. Gerade für skeptische und weniger erfahrene KollegInnen eine große Einstiegshürde.

Eine Beschaffung persönlicher Endgeräte kann in der Regel nicht über das Schulbudget erfolgen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Deshalb sollte der Einsatz digitaler Endgeräte im Rahmen der politisch vorgegebenen Leitlinien zumindest gefördert werden.

Top 4: Ein klarer rechtlicher Rahmen

Ein weites Feld…aber doch ein großes Thema für 2020. Daher hier in aller Kürze nur zwei Ansatzpunkte aus vielen:

  • Die geplante Anpassung des §71 Abs. 1 NSchG im Sinne der Einführung von BYOD-Konzepten ist ein wichtiger Schritt zur Justierung des rechtlichen Rahmens an die neuen gesellschaftlich-technologischen Bedingungen. Schulen hätten es damit deutlich leichter, gemeinsam mit den Eltern BYOD-Konzepte umzusetzen.
    • Aber: Dann sind auch die Gemeinden gefordert, finanzschwächere Familien bei der Beschaffung digitaler Medien zu unterstützen. Alles andere wäre schwer vermittelbar.
  • Der gesamte Bereich Datenschutz mit all seinen Verzweigungen (Persönlichkeitsrechte, Netzidentität, Cloud-Anbieter, MDM-Systeme etc.) wird eines der großen Entwicklungsfelder sein müssen. Bisher bewegen sich Schulen, die mit 1:1-Konzepten den digitalen Wandel gestalten, auf rechtlich (zu) dünnem Eis. Es fehlen die juristische Expertise in den Kollegien und hinreichend klare Bedingungen für die Nutzung persönlicher Endgeräte im Unterricht.
    • Wäre der in den Verwaltungsvereinbarungen zum DigitalPakt auftauchende „ID-Vermittlungsdienst“ ein erster großer Wurf? Hier ist die Politik gefordert und sollte bald liefern.

Das alles ist nichts Neues. Aber die Baustellen aus dem letzten Jahr sind geblieben. Und steter Tropfen höhlt den Stein.

Es bleibt also zu hoffen, dass das Jahr 2020 nicht nur das Jahr der Ankündigungen, sondern auch der konkreten Umsetzung wird. Die Weichen sind gestellt.

Alle Schulen, die ihre Medienkonzepte mit hohem Aufwand fertiggestellt haben, deren Kolleginnen und Kollegen ihren Unterricht weiterentwickeln wollen, deren Schülerinnen und Schüler sich auf die neuen Möglichkeiten freuen und den Wandel mitgestalten wollen, würden es den Verantwortlichen danken!  

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