Nach sechs Jahren in zahlreichen Kursen der zweiten und dritten Fremdsprache und mehreren Abiturdurchgängen mit Grundkursen im Fach Spanisch setzte sich eine Erkenntnis immer deutlicher durch:

Das bisher praktizierte Korrekturprozedere mit ausschweifenden Randbemerkungen zur schriftlichen Sprachkorrektur ist weder für den Erwerb kommunikativer Sprach- und Sprachlernkompetenz oder reflektierten Sprachbewusstseins („language awareness“) förderlich noch Ausdruck schülerorientierter Arbeitsweise.

Ausschweifende Korrektur und hohe Arbeitsbelastung – wenig nachhaltige Nutzung durch Schüler

Im Gegenteil: Eine häufige Rückmeldung ist, dass die Schüler die nach jeder Klassenarbeit und Klausur anstehenden Berichtigungen als unnötige Gängelei empfinden. So zumindest die häufige Rückmeldung. Die rot markierten Fehler werden monoton korrigiert, in Listen oder als ganze Sätze aufgeschrieben und wieder bei der Lehrperson abgegeben. Folgt eine zweite Korrektur, so werden die nochmals markierten Fehler eben nochmals korrigiert. Der Lerneffekt oder gar die Ausbildung von Lernstrategien bleiben gering.

Besonders absurd erscheint es, wenn die Korrekturen abschließend zwecks Dokumentationspflicht mit den Klausuren zurückgegeben werden sollen. Eine Nutzung vor der nächsten Prüfung ist dann ausgeschlossen.

Resultat: Der von Lehrkräften aufgewendeten Arbeitszeit für akkurate Sprachkorrektur und umfassende Fehlerkennzeichnung stehen eine geringe Wertschätzung und wenig nachhaltige Nutzung seitens der Schüler gegenüber. Die Klausuren verschwinden mitsamt Berichtigung im Archiv.

Was machen? Konsequenzen für den eigenen Unterricht

Sei es zur Selbsteinschätzung als Anstoß für Lernprozesse oder als Beleg für die Fremdeinschätzung der sprachlichen Leistung – die Wertigkeit als Rückmeldungsgrundlage ist zumindest fragwürdig.

Doch wie können Lehrkräfte das Problem des erheblichen Korrekturaufwandes mit dem Anliegen, Fehler produktiv und kompetenzorientiert für den weiteren Lernprozess zu nutzen verbinden?

Zunächst lassen sich daraus drei Konsequenzen für den eigenen Unterricht ableiten:

  1. Die sprachliche Korrektur sollte so erfolgen, dass sowohl eine differenzierte Bewertung durch die Lehrperson als auch eine (möglichst fordernde) Selbstkorrektur durch die Schüler möglich ist.
  2. Die Selbstkorrektur der Schüler sollte so erfolgen, dass diese ihre Fehler als Anlass zum Weiterlernen nutzen können und die Lehrperson Diagnoseinstrumente in Bezug auf häufige oder hartnäckige Fehlkonzepte erhält, die sich im Unterricht wiederholt bearbeiten lassen.
  3. Fehler sollten – obwohl sie natürlich einen negativen Einfluss auf die schriftliche Note haben – nicht per se als Defizite betrachtet werden, sondern durch neue Formen der Korrektur ihr positiver Stellenwert für den Lernprozess genutzt und den Schülern verdeutlicht werden.

Fachdidaktischer Kontext: Neuere Entwicklungen – vom Fehler-Zählen zur Kommunikationsorientierung

Die Erkenntnis, dass die summative Korrektur, das klassische Fehler-Zählen weder kommunikations- noch schülerorientiert ist, ist keinesfalls neu.

Schon die Empfehlungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) führten zu einem ersten Umdenken in Bezug auf den Stellenwert von Fehlern. Da sich die Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Spanisch (EPA) der Kultusministerkonferenz nach den Empfehlungen des GER richten, ist auch in diesen für Lehrkräfte verbindlichen Vorgaben eine deutliche Akzentverschiebung zu erkennen:

  • Seit der GER-Einführung folgt das Kriterium „Korrektheit“ positiv formulierten Kann-Beschreibungen.
  • Nur auf drei Niveaus (A2, B2 und C1) des GER kommt der Begriff „Fehler“ überhaupt noch vor.
  • Zwar hat bei der Bildung der Gesamtnote im Abitur die sprachliche Leistung nach wie vor die größere Gewichtung, doch orientiert sie sich insbesondere daran „… in welchem Maße die kommunikativen Ziele erreicht werden.“ (EPA, S. 17)
  • Noch deutlicher wird diese Neugewichtung bei den Bewertungskriterien für sprachliche Leistungen, die auf eine ausdifferenzierte Fehleranalyse zugunsten des kommunikativen Gelingens verzichten.
  • Mit dem Einbezug der Mediation als Teilaufgabe der Abiturprüfung findet zudem eine Textsorte Berücksichtigung, die ausdrücklich den Kommunikationserfolg vor Sprachrichtigkeit stellt und damit nebenbei auch zu einer Neugewichtung der Abiturschwerpunkte beiträgt.
  • Auch für die mündlichen Prüfungen wird betont, dass „… bei der Bewertung ein zeitweiliges Zurücktreten der Sprachrichtigkeit zu Gunsten des kommunikativen Erfolgs der Aussage denkbar ist.“ (EPA, S. 23)

Die zitierten Hinweise zeigen, dass den üblichen Fehlerkategorien (G / R / Z) eine dienende Funktion als Grundlage gelingender Kommunikation zukommt, sie aber kein isoliert zu betrachtendes Bewertungskriterium darstellen. Das kann Auswirkungen auf die Korrekturweise haben.

Exkurs: Rechtliche Rahmenbedingungen / Erlasslage (Abitur / gymnasiale Oberstufe)

Interessant ist, dass es zur Art und Weise der Randkorrektur für die Sekundarstufen I und II wenig bis keine verbindlichen Hinweise gibt. Die Verantwortung dafür liegt bei den Fachkonferenzen der Einzelschule.

Für Schulen mit gymnasialer Oberstufe bieten die Verordnungen und Erlasse der jeweiligen Länder zum Abitur eine grundsätzliche Orientierung für die Arbeit in der Qualifikationsphase.

Beispiel: In der für Niedersachsen verbindlichen „Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe …“ (AVO-GOBAK) findet sich eine grundlegende Vorgabe: „Die Referentin oder der Referent kennzeichnet am Rande jeder Arbeit Vorzüge und Mängel, so dass die Grundlage der Bewertung erkennbar wird. Ein Gutachten, das sich auf die Randvermerke bezieht, ist anzufügen.“ (S. 55-56) In den „Hinweise(n) zu den Aufgabenformaten und zur Bewertung“ in den modernen Fremdsprachen erfährt die AVO eine Präzisierung, die wohl auch die häufig in der Sek. I und Q-Phase übliche Korrekturpraxis widergibt:

Bewertungshinweise Fremdsprachen Niedersachsen
Auszug aus: Hinweise zu den Aufgabenformaten und zur Bewertung in den modernen Fremdsprachen durch die Landesschulbehörde Niedersachsen vom 07.05.2018, S. 3 [08.01.2020].

Warum dieser weite Bogen? Lehrkräfte arbeiten in einem engen Netz aus Vorschriften und Erlassen, die aber zugleich auch pädagogisch-didaktische Freiheiten bieten. Alle hier relevanten Vorgaben beziehen sich auf Abschlussprüfungen oder grundlegende Kompetenzniveaus. Damit sind sie beispielsweise für Prüfungen unter Abiturbedingungen verbindlich und bieten auch für niedrigere Jahrgänge Orientierung in Bezug auf gute Praxis. Ebenso werden in den Vorschriften aber die Veränderungen des Stellenwertes von Fehlern für den Spracherwerb deutlich. Lehrkräfte können daraus eigene Konsequenzen ziehen und

  • das klassische Korrekturverfahren aufgrund lernziel- und lerngruppenorientierter Überlegungen (ggf. fall- und bedarfsweise) in den Sekundarstufen I und II zugunsten anderer Korrekturverfahren zurückstellen,
  • die in Bezug auf das Verhältnis von Korrekturaufwand und Förderung der Sprachlernkompetenz praxistaugliche Lösungsansätze bieten –
  • sofern die Grundlage der sprachlichen Bewertung nach wie vor eindeutig erkennbar ist.

Herausforderung und Potential: Fehler produktiv für den Lernprozess nutzen

Aus der vorhergehenden Bestandsaufnahme zu schließen, dass die Bedeutung von Fehlern deshalb für den Spracherwerb abnehme, wäre aber völlig falsch. Wie Karin Kleppin schon 2005 in ihrem grundlegenden Beitrag „Mit Fehlern umgehen – neue Herausforderungen“ (DFU Spanisch) deutlich betont, „… könnten Fehler (dann) auch nicht mehr einen Anlass zum Weiterlernen bieten und ihr positiver Stellenwert für den Lernprozess wäre nicht zu nutzen“. Fehler produktiv für den Lernprozess zu nutzen bedeute in diesem Kontext

  • bei den Schülern das Verständnis zu fördern, „… Fehler als wichtig und positiv für den Lernprozess zu sehen“,
  • dass Schüler ihre eigenen Fehlerursachen erkennen und nach eingehender Beschäftigung damit ihre eigenen Fehler eventuell sogar voraussehen könnten,
  • ein stärkeres Sprachbewusstsein – „language awareness“ – (beispielsweise durch Transferstrategien zu anderen Fremdsprachen) entwickeln und
  • Fehler und fehleranfällige Bereiche leichter selbst entdecken sowie
  • durch das Nachdenken über sprachliche Problembereiche lernen könnten, mit ihren persönlichen (Lern-)Schwierigkeiten umzugehen. [Vgl. Karin Kleppin: Mit Fehlern umgehen. Neue Herausforderungen, in: DFU Spanisch 11, 2005, S. 16-21.]

Vorschlag aus der Fachdidaktik: Fehler systematisch „lesen“ lernen

Eine erste Konkretisierung erfährt diese Verschiebung in dem Vorschlag Marianne Häuptle-Barcelós (DFU Spanisch), die eine konkrete Lernstrategie zur Fehlerarbeit – das „Fehler lesen lernen“ – entwickelt hat.

Lernstrategie "Fehler lesen lernen" nach Marianne Häuptle-Barceló
6 Schritte der Lernstrategie „Fehler lesen lernen“ nach einem Vorschlag von Marianne Häuptle-Barceló

Vorschlag aus der Unterrichtspraxis: (Multimediale) 5 Stufen – Korrektur

Zwei Aspekte zeigen sich deutlich: Dass die bisherige Korrekturpraxis zwar der Notenbegründung dient, nicht aber lernziel- und schülerorientiert und schon gar nicht an aktuellen fachdidaktischen Diskussionen ausgerichtet ist. Und zudem, dass in der Fachdidaktik schon lange neue Möglichkeiten sprachbewusstseins- und lernprozessorientierter Sprachkorrektur diskutiert wurden.

Aus dieser defizitären Situation heraus entstand zunächst eine zweistufige Arbeit mit und an fehlerhaften Strukturen in Klausuren (Selbstkorrektur > Gemeinsame Korrektur häufiger Fehlerquellen im Kursrahmen), nach weiteren Überlegungen letztlich das hier vorgestellte fünfstufige Verfahren. Dieses baut auf einer Kombination unterschiedlicher Ansätze aus der Unterrichtspraxis sowie neueren, hier einleitend vorgestellten fachdidaktischen Erkenntnissen auf – ist also keinesfalls vollständig neu entwickelt.

Schritt 1: Sprachkorrektur ohne Korrekturzeichen

Nach dieser Korrekturmethode wird in der Sprachkorrektur auf Einzelfehler nur noch mit einer Markierung unter dem Wort hingewiesen. Fehlerhafte Strukturen werden durch eine Klammer zu Beginn und zu Ende der Struktur markiert. Die üblichen Korrekturzeichen finden keine Verwendung, der Rand bleibt bis auf inhaltliche Hinweise mit Bezug auf den Erwartungshorizont (schwarz) und Bewertungen des Ausdrucksvermögens (grün und rot) leer.

Die sprachliche Rückmeldung erfolgt wie bisher über einen ausdifferenzierten Bewertungsbogen, die einzelnen Bewertungsitems werden jetzt aber im Überblick, gewissermaßen integriert, und nicht nach Fehlerkategorien quantitativ zusammengezählt bewertet.

Bewertungsbogen Sprachliche Leistung Fremdsprachenunterricht
Beispiel für einen in der Fachgruppe entwickelten und verabschiedeten differenzierten Bewertungsbogen zur sprachlichen Leistung, dessen Fokus bei der Sprachrichtigkeit auf gelingender Kommunikation liegt

Praxishinweis: Das hier vorgeschlagene und in den eigenen Kursen praktizierte Vorgehen mag nicht der Korrektur- und Denkweise jeder Lehrperson entsprechen. Dementsprechend kann bezüglich der Sprachkorrektur natürlich auch variiert werden – für die folgende Selbstkorrektur sollte aber eine möglichst offene Fehlermarkierung gewählt werden.

Schritt 2: Fehler finden I – Selbstkorrektur nach Rückgabe der Klausur

Nach einer kurzen Einführung bzw. Wiederholung der verbindlichen Korrekturzeichen beginnt die Fehlerarbeit mit einer Selbstkorrektur in Einzelarbeit. In dieser Phase setzen sich die Schüler aktiv mit ihren Fehlern auseinander, indem sie…

… den Markierungen im Text die entsprechenden Korrekturzeichen, die zuvor eingeführt und am Beamer projiziert werden, zuordnen. Hierzu nutzen sie den Korrekturrand.

… unbekannte Fehlerquellen zunächst mit Bleistift mit einem Fragezeichen markieren.

… falls gewünscht die Korrekturzeichen um erste Korrekturhinweise / Lösungen ergänzen.

… in Einzelarbeit zwar konzentriert arbeiten, aber gezielte Fragen auch direkt im Austausch mit der Lehrperson, die Zeit für individuelle Beratung hat, oder miteinander in Partnerarbeit klären.

… wenn Sie vorzeitig fertig sind, für die Fragen anderer Schüler zur Verfügung stehen und die Lernmöglichkeit des „Lernen durch Lehren“ nutzen.

Schritt 3: Fehler finden II – Peer-Korrektur in Partnerarbeit

Da dieses Verfahren eine gewisse Offenheit der Korrektur zulässt und im Sinne pragmatischer Fehlerarbeit vor allem Fehlerbewusstsein fördern soll, ist eine folgende Doppel-Korrektur in Partnerarbeit sinnvoll. Die Wiederholung von Fehlern kann so verringert werden, zudem wird die Fähigkeit, Fehler und fehleranfällige Bereiche zu entdecken, systematisch gefördert.Auch in dieser Phase bleibt der Lehrperson Zeit für individuelle Fragen, Beratung, Hinweise auf hartnäckige Fehlerquellen und Unterstützung, falls es zu Schwierigkeiten bei der Korrektur kommt.

Alternative oder weiterführende Option für Übungssituationen: Anstelle einer Globalkorrektur kann auch eine fokussierte Fehlersuche mit dem Verfahren der „Textlupe“ erfolgen. Die Schüler konzentrieren sich auf ein Phänomen – dies könnte beispielsweise eine besonders häufige Fehlerquelle des Partners (bei der Doppelkorrektur) oder auch des Korrigierenden selbst (zur Schärfung der eigenen Aufmerksamkeit für diesen Fehlertyp) sein.

Schritt 4: Fehler analysieren: Kollaborative Fehlersammlung und gemeinsame Korrektur nach Fehlerkategorien

In der folgenden Phase steht der Austausch über häufige Fehlerquellen, deren gemeinsame Korrektur und das wiederholende Besprechen zugrundeliegender Regeln im Vordergrund.

In einem Online-Dokument (sehr gut geeignet ist Google Docs) tragen die Schüler Fehlerbeispiele aus ihren Klausuren zur gemeinsamen Korrektur zusammen.

Bei der Kategorisierung von Fehlern haben sich drei Alternativen bewährt:

  • Die Kategorisierung nach Korrekturzeichen ermöglicht den Schülern eine systematisch nach Phänomenen geordnete Fehlerarbeit, die im Fremdsprachenunterricht in der Regel aus den Bereichen R-, G- und Z-Fehler (im Spanischen besonders: la acentuación) besteht. Dieses klassisch systematische Vorgehen ermöglicht eine allgemeine Wiederholung häufiger Fehlerquellen.
  • Eine weitere Möglichkeit ist die durch die Lehrperson vorgegebene, eher qualitativ orientierte Kategorisierung nach Kriterien wie „für das Verständnis des Satzes wichtig“, „Wiederholungsfehler“, „Fehler, die auf falschen Regeln beruhen“, „Flüchtigkeitsfehler“ etc.
  • Möglich ist zudem eine individuelle Kategorisierung durch die Schüler, die Fehlerbeispiele aus der Klausur (z.B. „quiero que trabajas – Subjuntivo – Auslöser und Verbbildung“) als Kategorien vorsieht. Diese Variante erscheint aber eher für die individuelle Korrektur als für die gemeinsame Arbeit im Kursrahmen sinnvoll.

In der Regel reicht eine recht kurze Arbeitszeit (< 10-15 Minuten) für das Zusammenstellen zahlreicher Fehlerbeispiele aus. Durch die kollaborative, online synchronisierte Arbeitsweise ergänzen sich diese in normal großen Lerngruppen schnell zu einem beeindruckenden Fundus.

Die gesammelten Fehler werden im Kurs gemeinsam besprochen und korrigiert (20-30 Minuten). Hierbei hat es sich bewährt, diese Phase durch Schüler moderieren zu lassen, die dann beispielweise am Lehrer-Tablet per Beamer-Übertragung die Korrekturen annotieren.

Schritt 5: Fehler korrigieren und kommentieren – Selbstkorrektur in „Denk-Videos“

Die bis hierhin vorgeschlagene Vorgehensweise benötigt erfahrungsgemäß eine Doppelstunde. Es bietet sich nun an, die Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlerquellen fortzusetzen und in Form einer Hausaufgabe (sinnvoll) zu vertiefen. Hierzu erhalten die Schüler den Auftrag

  • eine oder mehrere Passagen der Klausur mit relevanten Fehlerquellen per Screenshot in ihr Notizenprogramm einzubinden,
  • mit der „Bildschirmaufnahme“-Funktion des iPads ein Screenvideo zu starten

und die in den Textpassagen erkennbaren Fehler mit lautem Denken zu kommentieren und korrigieren sowie ggf. alternative Lösungsmöglichkeiten (sowohl semantisch als auch grammatikalisch interessant) zu reflektieren.

Hier eine gekürzte Zusammenstellung von drei Beispielen aus dem Unterricht:

Wozu können Denk-Videos dienen?

Das Aufnehmen von Denk-Videos ist gerade in den Fremdsprachen besonders im Hinblick auf die Sprachkorrektur interessant, denn vor allem drei Funktionen erscheinen sinnvoll für den Unterricht:

  • Das nochmalige Umwälzen, Wiederholen und Vertiefen individueller Fehlerquellen und ihrer Vermeidung sowie der zugrundeliegenden Phänomene schärft das Bewusstsein für Fehler seitens der Schüler in einem Format, das nicht nochmal die Methoden aus dem Unterricht wiederholt und für Abwechslung sorgt sowie die Hausaufgaben sinnvoll nutzt.
  • Die Denkvideos ermöglichen Lehrpersonen zahlreiche Einblicke in die Denk- und Vorgehensweise ihrer Schüler und schülerorientierte Unterrichtsplanung. Vor allem aber:
    • Fehlerquellen oder Missverständnisse, die auch nach mehreren Korrekturphasen noch bestehen bleiben, können hier erkannt und zielgerichtet für den Unterricht genutzt werden.
    • Die Ursachen für Fehler können deutlicher diagnostiziert werden. Liegen die Fehlerschwerpunkte im Bereich des Subjuntivo daran, dass der Schüler die entsprechenden Auslöser nicht erkennt, liegen die Fehler eher in der Verbbildung oder der Konjugation? Denk-Videos können auch hier zu detaillierteren Einblicken in die Fehlerursachen beitragen als es im Unterricht möglich wäre.
  • Die gespeicherten Videos können wiederholend im Unterricht zur gemeinsamen Korrektur eingesetzt werden. Haben alle Schüler ein Denk-Video angefertigt, können zahlreiche authentische Fehlertypen beispielsweise in einer kurzen Aufwärmphase genutzt werden.

Was denken die Schüler? Feedback nach drei Stunden systematischer Arbeit

Die Bewertung durch die Schüler meines Kurses der 2. Fremdsprache im Jahrgang 11 fällt klar, aber differenziert aus und lässt Rückschlüsse auf die Chancen und Grenzen dieses Verfahrens zu.

Von der quantitativen Fehlerkorrektur zur Förderung von Sprachlernkompetenz – Vorschläge zur schriftlichen Korrektur in den (Fremd-)Sprachen 4
Schülerfeedback (per Mentimeter-Abfrage) nach drei Unterrichtsstunden mit der Klausur

Eindeutig ist die Bewertung in der Hinsicht, dass die Schüler das fünfstufige Verfahren im Vergleich zum früheren Vorgehen mit klassischer Korrektur und Berichtigung sowohl besser als auch in Bezug auf die Lerneffekte als vorteilhaft bewerten. Ein Schüler von 24 bevorzugt zur eigenen Orientierung den klassischen Korrekturmodus und erhält weiterhin detaillierte Randkorrekturen, wenn das Verfahren eingesetzt wird – Individualisierung nebenbei…

In dem sich anschließenden Auswertungsgespräch wurde in Bezug auf das dritte Item mit Blick auf die nächste Klausur klar, dass die Schüler sich zwar relativ geringe ad hoc – Effekte ausrechnen, aber gerade in der kontinuierlichen systematischen Arbeit mit ihren Fehlern großes Verbesserungspotential für sich selbst sehen.

Deutlich differenzierter fällt das Urteil in Bezug auf die Video-Analyse aus. Im Gespräch betonten die Schüler, dass es ihnen zuhause zwar sehr dabei geholfen habe, ihre Fehler und Berichtigungsmöglichkeiten zu reflektieren, sie aber den Sinn für den Unterricht nicht richtig nachvollziehen können. Damit hat sich eine wesentliche Intention dieser Methode zunächst erfüllt: Nämlich das sinnvolle Vertiefen der Fehleranalyse in den Hausaufgaben. Die Kritik war zudem berechtigt, was an einem Kommunikationsfehler meinerseits lag: Denn die Videos sind vor allem für Lehrpersonen hilfreich, um wie zuvor beschrieben durch Nachvollziehen von Denkprozessen Fehlkonzepte und hartnäckige Fehlerquellen zu erkennen. Denn das ermöglicht in der Folge differenziertes – individuelles, aber auch allgemeines – Feedback.

Insgesamt wurde aus der ersten Rückmeldungsrunde deutlich, dass auch die Schüler klar und differenziert die Vorteile des neuen Vorgehens erkannten. Deutlich war die Rückmeldung vor allem in Bezug darauf, dass Fehler nun als Ausgangsbasis für eine vertiefende Beschäftigung mit ihren Ursachen und nicht einseitig als Rechtfertigung für negative Bewertungen und Punktabzüge dienen.

Fazit

Auch mit Blick auf die erhaltenen Schüler-Rückmeldungen lässt sich eines klar herausstellen: Zwar verschiebt sich der Blickwinkel auf Fehler im Fremdsprachenunterricht zusehends, jedoch verschwindet weder die Fehlerbehandlung noch nimmt die Bedeutung von Fehlern für den Spracherwerb ab.

Im Gegenteil: Durch die umfassende und systematisch angelegte Arbeit an und mit den Fehlern, die auf einem recht radikalen Schnitt in der Sprachkorrektur beruht, können Fehler sowohl einen Anlass zum Weiterlernen bieten als auch ihr positiver Stellenwert für den Lernprozess genutzt werden.

Mag es gerade älteren Kolleginnen und Kollegen angesichts der bisher üblichen Rückmelde- und Begründungsfunktion detaillierter Randkorrekturen auch als Kontrollverlust, Rückschritt oder Abweichung vom gewohnten Vorgehen erscheinen: Abhängig vom Korrekturtyp der Lehrkraft kann dieses Konzept die Vorteile zeitökonomischer Arbeitsweise mit zugleich intensiver schülerorientierter Fehlerbehandlung verbinden. Die rechtlichen und fachdidaktischen Rahmenbedingungen ermöglichen genau diese variable Offenheit der Gestaltung von Randbemerkungen.

Interessant ist auch, dass die hier aufgegriffenen Entwicklungen zwar schon lange in der Fachdidaktik diskutiert werden und Berücksichtigung in den Abiturvorgaben gefunden haben. Andererseits scheint an den Schulen aber noch die übliche und altbekannte Korrekturpraxis vorzuherrschen – obwohl dieses Verfahren erhebliches Frustrationspotential bietet und dessen Kompetenzorientierung zweifelhaft ist.

Auch ist der hier vorgestellte Ansatz keinesfalls revolutionär oder ausschließlich innovativ selbst entwickelt. Allerdings erfolgt eine neue Kombination verschiedener Schritte, die fundierte Fehlerarbeit ermöglichen. Zudem werden zielorientiert neue Möglichkeiten durch digitale Medien genutzt. Damit bietet sich dieser Ansatz als begründete und kompetenzorientierte Ergänzung bestehender Vorgehensweisen an. Und letztlich hängt es sowieso von individuellen und lerngruppenspezifischen Faktoren ab, wie häufig und intensiv das vorgestellte Verfahren genutzt wird – oder ob einfach nur einzelne Module verwendet werden.

Denn das von Häuptle-Barceló vorgeschlagene „Fehler lesen lernen“ stellt eine Kompetenz dar, die umfassender Förderung und stufenweiser Anbahnung bedarf. Daher liegt der Fokus dieses Vorgehens vor allem auf höheren Jahrgängen ab dem fünften Lernjahr. Vorher könnten verschiedene Bausteine – beispielsweise eine ausführliche Sprachkorrektur mit ausgewählten Elementen der Selbstkorrektur – je nach persönlicher Einschätzung kombiniert werden.

Weiterführung und Vertiefung der Fehlerarbeit: Liegt der Fokus auf der Reflexion über den Lernprozess und besonders häufige Fehler zu einem bestimmten Zeitpunkt, werden in der Literatur verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen:

  • Individuelle Fehlerprotokolle (nach Fehlertypen oder nach individuellen Kategorien unterteilt)
  • „Fehlerjagd“: In Einzelarbeit nehmen sich Schüler bestimmte Phänomene oder Strukturen vor, die sie gezielt verfolgen und überwachen möchten. Diese Methode ist auch in Partnerarbeit möglich. Hierzu schlägt Kleppin Absprachen in Form eines „Jagdvertrages“ vor, in dessen Rahmen die Partner dann gegenseitig auf ihre Fehler achten.

Verwendete Literatur

Karin Kleppin: Mit Fehlern umgehen. Neue Herausforderungen, in: DFU Spanisch 11, 2005, S. 16-21.

Marianne Häuptle-Barceló: Fehler „lesen“ lernen, in: DFU Spanisch 11, 2005, S. 28-30.

EPA Spanisch (Kultusministerkonferenz) vom 05.02.2004, in: https://db2.nibis.de/1db/cuvo/ausgabe/index.php?mat1=2 [08.01.2020].

Hinweise zu den Aufgabenformaten und zur Bewertung in den modernen Fremdsprachen durch die Landesschulbehörde Niedersachsen vom 07.05.2018, S. 3; in:

https://www.nibis.de/uploads/1gohrgs/za2021/2018_Erlass_ZA_Bewertung_FS.pdf [08.01.2020].


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