Schreiben (lernen) ist ein hochkomplexer Prozess, der zumeist in unterschiedlichen Phasen abläuft. In dem Beitrag „Eigenständig schreiben mit KI“ für die neue PÄDAGOGIK 09/2025 haben Gerold Brägger, Joscha Falck und ich genauer darauf geschaut, worauf zu achten ist, wenn (generative) KI im Unterricht Schreibprozesse begleitet und fördert. Denn konstruktive Lernbegleitung hat mehrere Seiten: Wer schon einmal eine größere Menge an Aufsätzen korrigiert hat, weiß, wie viel Zeit und Energie gutes Feedback kostet. Gleichzeitig ist es für Lernende entscheidend, Rückmeldungen zu ihren Texten zu bekommen – eben nicht eine Note (zumeist als summatives „Feedback“ am Schluss), sondern konkrete Hinweise, wie sie ihre Arbeit verbessern können (am besten als formatives Feedback im Prozess).

Genau hier setzt PEER KI Tutor an, eine Feedback-Plattform, die an der Technischen Universität München entwickelt wurde. Das Kürzel steht für Paper Evaluation and Empowerment Resource – und der Name ist Programm: PEER versteht sich nicht als Ersatz für die Lehrkraft, sondern als Partner im Lernprozess. PEER gibt konstruktive Rückmeldungen auf geschriebene Aufsätze, fördert das selbstständige Überarbeiten und ermöglicht so einen Schreibprozess, der in mehreren (Überarbeitungs-)Schleifen abläuft.


Was ist PEER und wie funktioniert die KI-Feedback-Plattform?

PEER ist eine kostenfreie Web-Anwendung, die ganz ohne Registrierung genutzt werden kann. Lernende (oder auch Lehrkräfte im Testlauf) geben zunächst Rahmendaten an: Welche Textsorte soll bewertet werden? Auf welchem Niveau bewegt sich der Text (z. B. Gymnasium, Oberstufe)?

Anschließend wird der Text hochgeladen – entweder direkt als Textdatei oder als Foto einer handschriftlichen Arbeit, das automatisch in editierbaren Text umgewandelt wird.

Nach kurzer Bearbeitungszeit (in der Regel weniger als eine Minute) gibt PEER mehrstufiges Feedback auf den eingegebenen Text. Das Besondere daran: Lernende erhalten konkrete Hinweise, wo ihre Stärken liegen und wie sie den Text verbessern können. Dabei untergliedern sich die Teile in „Allgemeines Feedback“, „Kriterien“ und „Verbesserungsvorschläge“. Schüler können anschließend selbst entscheiden, welches Feedback sie nutzen möchten, und überarbeiten ihren Text in einer weiteren Schleife.

Dieser Prozess lässt sich beliebig oft wiederholen. So wird das Schreiben zu einem iterativen Lernprozess, bei dem Fehler nicht einfach angestrichen, sondern produktiv genutzt werden (können) – das KI-Feedback kann aber natürlich ebenso in der nächsten Stunde oder auch unmittelbar im Unterricht zum Lerngegenstand werden. So lassen sich ganz einfach das Lernen mit und das Lernen über KI verbinden, wenn bspw. Inkonsistenzen oder auch Fehler im KI-Feedback besprochen werden.

Oft steht natürlich auch die Frage im Raum: Welches Feedback hättet Ihr denn wie auf Euren Text erhalten, wenn es eine solche KI-Plattform nicht gäbe?


Welche Funktionen bietet PEER?

    • Anonymität und Datenschutz: Niemand muss sich registrieren, es werden keine personenbezogenen Daten erhoben. Texte werden aber anonymisiert und können für Forschungszwecke der TUM genutzt werden – ein klarer Vorteil im Hinblick auf den schulischen Datenschutz.
    • Unterstützung verschiedener Textsorten: Egal ob Erzählung, Erörterung oder Analyse – PEER kann mit unterschiedlichen Textarten umgehen und passt seine Rückmeldungen dem jeweiligen Schreibziel an.
    • Feedback auf Augenhöhe: Die Rückmeldungen sind so formuliert, dass sie für Lernende verständlich und motivierend sind. Statt pauschaler Fehlerlisten erhalten sie Hinweise, wie sie ihren Text Schritt für Schritt verbessern können.
    • Iteratives Arbeiten: Ein Text kann mehrfach hochgeladen und überarbeitet werden. Damit rückt das Prozesshafte des Schreibens in den Vordergrund – ganz im Sinne moderner Schreibdidaktik.
    • Universelle Einsatzmöglichkeiten: PEER richtet sich nicht nur an Schülerinnen und Schüler, sondern wird auch in der Hochschule eingesetzt. Damit ist das Tool ein gutes Beispiel dafür, wie Lerntechnologien verschiedene Bildungsstufen verbinden können.

Welchen Nutzen hat PEER für den Unterricht?

Für Lehrkräfte bietet PEER gleich mehrere Vorteile. Zum einen kann es helfen, Routineaufgaben zu entlasten: Standardfeedback zu Kohärenz, Argumentationsstruktur oder Ausdruck genauso wie Rückmeldungen zur Sprachrichtigkeit (das aber nur punktuell) übernimmt die KI-Plattform, während die Lehrkraft ihre Energie auf individuellere oder inhaltlich vertiefte Rückmeldungen verwenden kann. Zum anderen eröffnet PEER die Möglichkeit, den Schreibprozess stärker in den Unterricht zu integrieren. Eine Erfahrung, die ich gerade auch mit FelloFish als KI-Feedback-Plattform an unserer Schule immer wieder mache und die zum Umdenken mit Blick auf Unterricht geradezu auffordert.

Anstatt eine Arbeit zu schreiben, abzugeben und dann Wochen später eine korrigierte Version mit Randbemerkungen zurückzubekommen, können Schülerinnen und Schüler direkt nach der ersten Fassung Feedback einholen, ihre Texte überarbeiten und diesen Prozess mehrfach durchlaufen. Damit verändert sich auch die Rolle der Lehrkraft: Sie begleitet, moderiert, unterstützt – und setzt ihre pädagogische Expertise dort ein, wo sie wirklich gebraucht wird. Das kann gerade in Klassen der Sekundarstufe I eine unmittelbare Unterstützung und gleichzeitig Entlastung bedeuten.

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Vorlage für einen Elternbrief – kann gerne weitergenutzt werden!

Einige Kolleginnen und Kollegen berichten zudem, dass sie PEER (genauso wie ich im Fach Geschichte) im Unterricht gemeinsam mit der Klasse einsetzen: Texte werden hochgeladen, das Feedback gemeinsam besprochen und anschließend reflektiert, wie hilfreich die Rückmeldungen sind. Auf diese Weise wird auch der kritische Umgang mit KI gefördert – ein Aspekt, der im Zuge der Diskussion um „AI Literacy“ ohnehin immer wichtiger wird.


Für den eigenen Unterricht: Vorlage für einen Elternbrief

Nach einer Mini-Fortbildung an unserer Schule zum Thema Feedback und Lernbegleitung wollte eine Kollegin von mir gleich loslegen. Sie hat einen Infobrief an die Eltern ihrer 6. Klasse verfasst, um über den Einsatz des KI-Tools zu informieren und gleichzeitig auch die Eltern mit ins Boot zu holen. Sie sollen im Optimalfalls mit ihren Kindern gemeinsam das KI-Feedback ausprobieren – ein erster Schritt, die Eltern als wichtigen Teil der Schulgemeinschaft an den neuen Entwicklungen im Bereich KI zu beteiligen.

Das Infoschreiben kann hier als Canva-Link abgerufen und als Vorlage genutzt werden – dafür bitte unbedingt eine Kopie der Vorlage erstellen!


Ziele und Hintergründe

Das Projektteam an der TU München verfolgt mit PEER zwei große Ziele:

  1. Praktische Unterstützung für Lernende und Lehrkräfte:
    Rückmeldungen zum Schreiben sind eine der größten zeitlichen Belastungen für Lehrkräfte. PEER bietet hier eine konkrete Entlastung, ohne die Verantwortung oder Bewertungshoheit aus der Hand zu geben.
  2. Forschung zur Lernförderlichkeit von KI-Feedback:
    Die anonyme Nutzung erlaubt es den Forschenden, wertvolle Daten darüber zu sammeln, wie KI-gestütztes Feedback wirkt, welche Rückmeldungen Lernende bevorzugen und wie der Schreibprozess durch solche Tools beeinflusst wird.

PEER ist damit nicht nur ein Werkzeug, sondern zugleich ein Forschungsprojekt, das wichtige Erkenntnisse für die Weiterentwicklung digitaler Lerntechnologien liefert. Dabei unterstütze ich als Lehrer gerne und kann nur dazu ermutigen, es selbst einmal im Unterricht auszuprobieren.


Ein Blick in die Plattform: YouTube-Tutorial mit Praxisbeispiel

Um den Einstieg zu erleichtern, habe ich ein kurzes Erklärvideo erstellt, das die wichtigsten Funktionen zeigt und Schritt für Schritt durch die Nutzung führt:


Kurzfazit

PEER ist natürlich kein Alleskönner, arbeitet auch weniger differenziert und stärker auf Aufsätze fokussiert als FelloFish, aber PEER ist ein durchdachtes Werkzeug, das den Schreibunterricht spürbar bereichern kann. Es bietet schnelle, motivierende und handlungsorientierte Rückmeldungen, fördert die Eigenverantwortung der Lernenden und kann Lehrkräfte bei wiederkehrenden Aufgaben entlasten. Es wäre schade, wenn diese Plattform nicht weiterentwickelt werden würde – aber genau das hörte ich kürzlich, die Entwicklung bleibt also zu beobachten.

Praktisch und hilfreich finde ich die Kombination aus Niedrigschwelligkeit (keine Anmeldung, kostenlos), pädagogischer Orientierung (Feedback statt Fehlerlisten) und Forschungsnähe (anonymisierte Daten fließen laut Website direkt in die Weiterentwicklung ein).

Wer sich mit Schreibförderung im Unterricht beschäftigt oder einfach mal ausprobieren möchte, wie KI sinnvoll in Lernprozesse eingebunden werden kann, sollte PEER einfach mal testen. Am besten zunächst mit einem eigenen Text – dann direkt gemeinsam mit der Klasse. In meinen Augen ein guter Einstieg in die Welt des KI-Feedback – für differenzierteres Feedback, eigene Aufgabengestaltung mit konkreten Kriterien und zahlreiche praktische Zusatzfunktionen (Rechtschreib-/Grammatikkorrektur, Kursübersicht, Änderungen nachverfolgen-Funktion usw.) führt aber kein Weg an FelloFish vorbei.

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