Didaktische Planung und Medienmix – Lernlandkarten als Methode für Blended Learning
Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht erleichtert natürlich auch die Planung individuellerer Lernwege. Der zur Verfügung stehende Medienmix eröffnet eine Vielzahl unterschiedlicher Zugänge, allein das Medium Tablet erweitert die didaktische Planung um zahllose Möglichkeiten der Rezeption von Lerninhalten und Produktion eigener Lernprodukte.

Gerade für die didaktische Planung von Blended Learning, also die ganz selbstverständliche Verbindung von „klassischem Unterricht“ in seinen verschiedensten Ausprägungen und eLearning-Phasen, stellt sich aber die Frage nach geeigneten Methoden. Im Spannungsfeld von
- Offenheit vs. Struktur,
- selbstorganisiertem vs. lehrergesteuertem Lernen oder auch
- reduziertem vs. vielfältigerem Materialangebot
können Lernlandkarten als interessanter Ansatzpunkt für die Unterrichtsplanung dienen. Schöne Beispiele in Social Media gibt es für alle Fächer – wie dieses sehr anschauliche Beispiel einer Lernlandkarte als Differenzierungsmöglichkeit, die als Mustervorlage für viele kreative Ansätze dient:
Doch zunächst: Lernlandkarten sind keineswegs neu und ihr echter Innovationsgrad bzw. Einfluss auf Unterrichtsentwicklung hängt sehr stark von der individuellen Planung ab! Sie können aber in digitalen Lernumgebungen komplexer und vielfältiger genutzt werden als zuvor – und das möchte ich in diesem Blogbeitrag ganz unterrichtspraktisch orientiert zeigen, nachdem ich hier zuvor bereits unterschiedliche Ansätze für Blended Learning dargestellt habe.
- Hier in einem grundlegenden Blogbeitrag zu Blended Learning im Präsenz-, Hybrid- und Online-Unterricht mehr zu den Zielen, Charakteristika und möglichen Praxisansätzen des Unterrichtskonzepts Blended Learning nachlesen.
- Hier in einem weiterführenden Blogbeitrag zu zwei konkreten Methoden für Blended Learning mehr zur Frage offeneren Lernens und Arbeitens nachlesen.
Und eine kurze grundlegende Einführung in die Methode der Lernlandkarten muss sein – für heute also Teil I des geplanten Zweiteilers zu Lernlandkarten im Unterricht.
Lernlandkarten – Begriffsklärung und Differenzierung

Lernlandkarten als Methode – Lernstandsdiagnose und selbstorganisiertes Lernen
Sehr passend beschreibt das Stangl Online-Lexikon der Psychologie und Bildung diese noch recht unbekannte Lernform: „Lernlandkarten, auch Lernatlanten oder Kompetenzraster genannt, geben einen systematischen Überblick über die Kompetenzen, die im Laufe einer bestimmten Lehr- oder Lernphase erworben werden sollen. Lernlandkarten bilden eine Grundlage für die Unterrichts- und Lernplanung, für das Lerncoaching und die Auswahl von Lernmaterialien sowie als Arbeitsmittel für Studierende. Lernlandkarten sind eine neue, in der Literatur noch wenig diskutierte Methode zum selbstorganisierten Lernen. Für Schüler bieten Lernlandkarten die Möglichkeit, individuelle Lernsysteme zu entwickeln und zu verfolgen. Lehrerinnen und Lehrer fördern mit Hilfe von Lernlandkarten Individualität und Selbstverantwortung und schaffen so ein transparentes Leitsystem über den individuellen Entwicklungsstand. Mit dieser Methode können Lehrkräfte den steigenden Anforderungen in der heterogenen Lernumgebung gerecht werden. Lernlandkarten eignen sich daher besonders für Lehrkräfte, die individualisierten Unterricht praktizieren und Instrumente zur Lerndiagnose im Regelunterricht einsetzen wollen. Mit Hilfe von Lernlandkarten können Schülerinnen und Schüler ihren Lern- und Wissensstand zu einem bestimmten Thema vorstrukturiert beschreiben. In einem individualisierten Unterrichtssetting arbeiten die Kinder gleichzeitig an verschiedenen Themen, wobei Lernkarten mögliche Lernwege und Themenschwerpunkte der Schülerinnen und Schüler visualisieren.“
Diese präzise Einordnung fokussiert zunächst recht deutlich Lernlandkarten als Beschreibung und Einordnung des Lern- und Wissensstandes – oft als Advance Organizer – mit Blick auf noch zu erlernende Themen und/oder Kompetenzen. Ein schönes Beispiel aus der Lehramtsausbildung in NRW zeigt die Anwendung über den Unterricht hinaus:
Lernlandkarte als Methode – Variante des Stationenlernens für strukturierte Lernprozesse
Didaktisch auf konkrete Unterrichtsphasen heruntergebrochen, lassen sich Lernlandkarten aber auch als Lernmethode analog zum Stationenlernen nutzen – und damit kommen wir zur zweiten Auslegung dieser recht offenen Begrifflichkeit, die für mich momentan deutlich häufiger relevant ist. Denn: In der Unterrichtspraxis werden Lernlandkarten häufig als (digital deutlich erweiterte, optisch aufgehübschte) Variante des Stationenlernens geplant und genutzt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, dessen sollten sich Lehrpersonen bewusst sein.
Für mich stehen dabei zumeist zwei – bewusst nicht ganz trennscharfe – Ziele bzw. methodische Vorgehensweisen im Vordergrund.
Differenzierte Lernwege als strukturierten Lernpfad planen
Ich möchte meinen Schülerinnen und Schülern differenzierte Lernwege anbieten, um individuellere Vorgehensweisen in einer von mir als Lehrperson klar strukturierten Lernstruktur (Lernpfad) mit einem gemeinsamen Ziel zu ermöglichen. Das können instruktionsorientierte Kompetenzbereiche sein (z.B. Fremdsprachen: Grammatik), aber natürlich lassen sich prinzipiell alle Themen mit einer vorgegebenen Pfadstruktur organisieren.
Das zeigt auch das Beispiel einer Kollegin zur Nachkriegszeit in Deutschland mit zahlreichen multimedialen Lernangeboten.

Gerade jüngere Schülerinnen und Schüler in meinem eigenen Unterricht sind immer wieder begeistert, wenn sie in den Lernpfaden arbeiten und sich zwar selbständig, aber eben auch mit einer klaren Struktur in Richtung Lernziel (z.B. im Fach Spanisch: Tarea final oder in Geschichte: Lernprodukt) bewegen. Einige ganz einfache Beispiele aus meinem Unterricht zeige ich hier: Zwei Lernpfade aus dem Spanischunterricht, die teils mehr, teils weniger differenziert das Lernen in eigenem Tempo ermöglichen und mithilfe kleiner Online-Tools Möglichkeiten zur Selbstdiagnose integrieren. Ein recht breiter Materialfundus ist hier bereits so vorstrukturiert, dass der Fokus auf dem Lernprozess liegt und selbständiges Lernen ermöglicht wird. Findet dieses im Klassenraum statt, entstehen dadurch für mich Freiräume für Beratung und Unterstützung. Zum Abschluss plane ich immer eine Schülerfeedback-Schleife ein, um Rückmeldung zur Methode zu erhalten.



Die Erfahrung in zahlreichen Fortbildungen zeigt auch, dass gerade die Lernpfad-Struktur vielen Schülerinnen und Schülern hilft, einerseits einen Einstieg in die Welt offeneren (digitalen) Lernens zu finden und andererseits den häufigen Wunsch nach einer klaren Struktur trotz differenzierter Lernangebote und offener Unterrichtsstrukturen erfüllt. Das nicht als Widerspruch zu sehen, ist für mich ein sehr wichtiger Punkt.
Lernlandkarte als offener Überblick mit Option individueller Schwerpunktsetzung
Gerade in höheren Jahrgängen funktionieren auch offenere Strukturen (z.B. mit einer Mindmap als Grundlage) gut, die zu den diversen Teilthemen vielfältige Materialien (bspw. als Überblick) anbieten und eine individuelle(re) Schwerpunktbildung ermöglichen. Ein schönes Beispiel aus dem Religionsunterricht findet sich im ReliLab zum Thema „Reformation“, ergänzt um zahlreiche Hinweise zur Arbeit mit Lernlandkarten.

Die Einführung von Lernlandkarten als Grundprinzip des Lernens bedeutet dann im nächsten Schritt natürlich eine viel weitergehende Veränderung des Lehrens und Lernens, das aktuell in manchen Schulen (dann oft auch verbunden mit dem Einrichten von „Lernlandschaften“) erprobt oder bereits praktiziert wird. Darauf gehen unterschiedliche Publikationen ausführlich ein, so bspw.
- das Grundlagenwerk „Unterrichten mit Lernlandkarten“ (Beltz 2018) oder auch
- praxisbezogen die PH Nordwestschweiz in „Mit Lernlandkarten lernstandsorientiert unterrichten“.
Ausblick auf Teil II: Wie erstelle ich Lernlandkarten bzw. Lernpfade?
In Fortbildungen entstehen oft die größte Euphorie und der Wunsch direkt loszulegen, wenn ich in die Praxisanwendung gehe und unterschiedliche Möglichkeiten zum Erstellen von Lernpfaden und/oder Lernlandkarten zeige. Die hier gezeigten Beispiele aus meinem eigenen Unterricht basieren zumeist auf einer Padlet-Vorlage. Aber gerade durch die Fortbildungspraxis, in deren Rahmen ich mich häufiger auch in Möglichkeiten einarbeite, die ich selber vielleicht noch gar nicht aktiv nutze, ergeben sich oft die besten Ideen: So zuletzt auch durch die gemeinsame Arbeit an Lernlandkarten während einer dreitägigen Fortbildung an der Deutschen Schule Madrid.
Im nächsten Blogbeitrag werde ich daher – sobald ich die Zeit dafür habe – genauer auf unterschiedliche Tools eingehen, mit deren Hilfe sich ganz einfach interaktive Lernlandkarten erstellen lassen. Und warum nicht den Begriff Lernlandkarte auch einfach mal ganz wörtlich nehmen und die Lernschwerpunkte (hoffentlich kognitiv aktivierend) in geographischen Zusammenhängen visualisieren? Dass das tatsächlich ganz einfach und auch ohne Vorerfahrung geht, sehe ich während des Schreibens beim Ausprobieren eines Online-Tools für Fantasy-Landkarten…;-)
Und hier geht es weiter zu Teil II: Tools zum Erstellen von Lernpfaden und Lernlandkarten

Vielen Dank für die vielen Anregungen!
[…] ich in Teil I eher die Grundlagen zu Lernlandkarten und Lernpfaden im Unterricht mit zahlreichen Praxisbeispielen in den Blick nahm, soll es nun die zweite wichtige Frage im Fokus […]