Das SAMR Modell zur Digitalisierung in der Schule und seine Stufen sind an zahlreichen Schulen und nicht zuletzt im Rahmen der Fokusevaluation in Niedersachsen Grundlage und Leitlinie der systematischen Erprobung und Evaluation. Das SAMR Modell bietet für die Digitalisierung in der Schule die Möglichkeit, dem Tableteinsatz die grundlegende Anforderungshaltung an die Lehrkräfte zu nehmen, diesen stufenweise aufzubauen und je nach Erfahrung systematisch auszuweiten – in jedem Fall aber klassische Medien stückweise zu ersetzen.
Das SAMR Modell in der Schule
Das Modell baut auf den vier Stufen: 1. Ersetzen – 2. Erweitern – 3. Modifizieren – 4. Neudefinition auf. Am unten aufgeführten SAMR Modell lässt sich erklären, wie die Bearbeitung und Gestaltung von Aufgaben durch technische Hilfsmittel erweitert und verbessert werden kann. Dazu wird in Schritt 1 zunächst die Nutzung grundlegender technischer, die bisherigen Medien lediglich ersetzender Funktionen eingeführt und danach in Schritt 2 die Möglichkeit einer Umgestaltung von Aufgaben gemäß der neuen technischen Möglichkeiten gezeigt. Erst ab Schritt 3 werden Aufgaben schließlich so modifiziert, dass eine digitale Unterstützung erforderlich oder, in Schritt 4, bei voller Ausschöpfung der neuen Technologie durch gänzlich neue Aufgabenformate zwingend erforderlich ist.

Lehrkräfte können so auf einer niedrigen Stufe einsteigen, gemäß dem didaktischen Konzept das Tablet lediglich als ergänzendes und analoge Medien 1:1 ersetzendes Medium nutzen, im Verlauf der Erprobung aber je nach Bedarf und Kompetenz den Technologieeinsatz für die Gestaltung ihrer Aufgaben erhöhen.
Dieses Modell eignet sich insbesondere in Kollegien, die einer Digitalisierung von Schule und Unterricht kritisch gegenüber stehen, denn eines darf nicht unterschätzt werden:
Nicht alle Kolleginnen und Kollegen sind von Digitalisierungsprozessen überzeugt, verfügen über grundlegende Kenntnisse im Umgang mit digitalen Medien im Unterricht oder sehen einen Vorteil in deren Nutzung. Hier bietet sich das SAMR-Modell im Rahmen von Change Management – Prozessen durchaus an, sollte dann aber von umfassenderen Modellen flankiert werden, die ein weitergehendes Verständnis von Digitalisierung ermöglichen.
Das SAMR Modell – immer tiefer eintauchen in digitalen Unterricht?
Betont die obenstehende Darstellung des SAMR Modells eher die technische Komponente bzw. den Einsatz neuer Medien an sich, so fokussieren andere Darstellungen insbesondere die Herausforderungen und Chancen des Medieneinsatzes am Beispiel des SAMR Modells. Eine gelungene Visualisierung unter dem Titel „Integration von Lerntechnologie“ (Nadine Petry & Dennis Schäffer) zielt vor allem auf die funktionalen Verbesserungen im für viele neuen Terrain Multimediales Lernen mit Lerntechnologie ab. Vom ersten Schritt bis zum freien und souveränen Bewegen in der neuen Lern- und Arbeitswelt ist aber eine gewisse Entwicklung notwendig. Deutlicher wird hier vor allem die Möglichkeit gänzlich neuen Unterrichtens. Auch diese Darstellung betont also den (einseitig?) positiven Entwicklungscharakter hin zu einem Lerntechnologie immer stärker integrierenden Unterricht, in dessen Untiefen sich die Lehrkräfte immer sicherer bewegen.

Das SAMR Modell – Runden schwimmen anstatt immer tiefer einzutauchen!
Eine interessante Nuancierung erfährt das SAMR Modell in der Darstellung Jaclyn B. Stevens, die in Ihrem Beitrag „Erasing the line: A perspective on what’s broken with the SAMR Model“ das SAMR Modell einer kritischen Betrachtung unterzieht.
Sie kritisiert insbesondere die simple stufenartige Konzeption, die in dieser Form eine höhere Stufe auch automatisch als positiver ansieht:
„Dieses Modell wird oft als Treppe, Leiter oder Schwimmbad dargestellt, was darauf hindeutet, dass die Erzieher in Richtung der Kategorien Modifikation und Neudefinition klettern/schwimmen. Es gibt eine Linie, die Substitution und Augmentation von dem Ziel der Modifikation/Redefinition trennt. Die Botschaft lautet, dass die Pädagogen „über der Linie lehren“ müssen, wobei der Schwerpunkt auf Modifikation und Neudefinition liegt. Doch hier entsteht ein Problem. Um dieses Dilemma zu verstehen, müssen wir uns ein anderes populäres Modell ansehen – die Taxonomie Blooms. Heute sind die meisten Pädagogen mit Blooms Taxonomie vertraut, einer Methode, um die grundlegenden Fragen innerhalb des Bildungssystems zu unterscheiden. Wir schlagen vor, dass, genau wie Pädagogen auf den Ebenen von Bloom arbeiten (Remember, Understand, Apply, Analyze, Evaluate and Create), auch die Ebenen des SAMR Modells flexibel sein und sich an dem orientieren müssen, was die Schüler im Klassenzimmer tun. Nur das Unterrichten auf der Ebene von Evaluate und Create ist unmöglich, ebenso wie die Integration von Technologie auf der Ebene von Modifikationen und Neudefinitionen unrealistisch ist. Daher ist das SAMR-Modell in seiner jetzigen Form nicht nachhaltig.
Wenn das SAMR-Modell ein Schwimmbad wäre, und wir alle ins kalte Wasser springen oder permanent über der „Linie schwimmen“ würden, würden wir erschöpft an den Grund sinken – aber welche Möglichkeiten hätten wir, wenn wir – wie üblich – Runden schwimmen würden?! Die Arbeit mit dem SAMR-Modell wird das schülerzentrierte Lernen unterstützen, so wie Pädagogen nach Blooms Taxonomie lehren, um die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Studenten zu unterstützen. Stellen Sie sich die unzähligen Pädagogen vor, die in diesen Technologiegewässern schwimmen: Einige werden sich sicher im tiefen Becken bewegen (Modifikation, Neudefinition), während andere lieber im flacheren Bereich bleiben würden (Ersetzen und Erweitern), während andere noch mehr Coaching und Fortbildung oder einfach Unterstützung benötigen, die durch professionelle Entwicklung und professionelle Lernnetzwerke usw. geboten wird. Doch selbst in diesen digitalen Gewässern können Pädagogen den Unterricht nicht permanent „über der [SAMR]-Linie“ halten, wie allgemein angenommen.

Erst mit diesem Verständnis können Kolleginnen und Kollegen mit einer neuen Perspektive das SAMR Modell nutzen – im Sinne technologisch verbesserter Lehrpläne und einer funktionierenden digitalen Unterrichtskultur.“ (eigene Übersetzung)
Dieser Hinweis Jaclyn B. Stevens ist entscheidend wichtig, nimmt er doch dem SAMR Modell seine eher statische, einseitige Auslegung und betont die Bedeutung aller Stufen – je nach Können, Vorwissen, Interesse, jeweiliger Lerngruppe, jeweiliger Unterrichtsstunde und didaktischer Planung. Für die Fortbildung von Kollegien gewinnt dieses Modell damit an Bedeutung und verdeutlicht Grundlinien digitaler Unterrichtsentwicklung – nimmt aber zugleich den Druck, der durch die einseitig positiv ausgelegte Visualisierung des Erklimmens von Stufen und/oder Eintauchens in immer größere Tiefen des Einsatzes digitaler Lerntechnologie entstehen könnte.
Das SAMR Modell in der Schulentwicklung
In Schulentwicklungsprozessen kann das SAMR-Modell als Ausgangsbasis für weitere Entwicklungsschritte / Meilensteine dienen, die dann auch ein neues Verständnis von Bildung in einer digitalisierten Welt ermöglichen. Insbesondere die zunächst recht einseitige Auslegung des SAMR Modells, und dessen Fokussierung auf die technische Komponente, scheinen aber eine verkürzte Sichtweise darzustellen. Mit der von Stevens angemahnten Veränderung der Perspektive erfährt das SAMR Modell eine entscheidende Erweiterung: Der Bezug zur Bloom’schen Taxonomie knüpft an die tägliche Unterrichtspraxis an und nimmt der digitalen Unterrichtsentwicklung ihren häufig zu verkürzten, einseitig oder simpel positiv ausgelegten Charakter. Mit dieser Grundlage scheint das SAMR Modell eine realistische pädagogisch-didaktische Diskussion zu Art und Umfang, Chancen und Herausforderungen des Einsatzes digitaler Lerntechnologie im Unterricht zu ermöglichen und zu vereinfachen.
Das SAMR Modell sowie das 4K- und das MiFd-Modell werden auch in dem Blogbeitrag „SAMR Modell / 4K / MiFd – 3 Modelle zur Erklärung von Digitalisierung in der Schule“ genauer dargestellt.
Und hier noch die volle Darstellung zu „The SAMR swimming pool. Erase the line: swim laps“ von Jaclyn Stevens:
