Es hat ziemlich genau acht Monate gedauert, bis auch die Kultusministerkonferenz und in ihrer Folge die Ministerpräsidenten unter bestimmten Bedingungen ein Unterrichtskonzept befürworten, das in zahlreichen Schulen bereits seit März 2020 zum Alltag gehört: Unterricht in Form „rollierenden Präsenzunterrichts“, also eines Hybridkonzeptes aus Unterricht im Klassenraum und Lernen zu Hause, das durch die möglichst nahtlose und sinnvolle Einbindung digitaler Lehr- und Lernformate strukturiert, verbunden und zusammengehalten wird.

Um es mit den zwei Schlüsselbegriffen des Jahres zu präzisieren: Hybridunterricht in Form von möglichst konsistent gestaltetem Blended Learning.

Hybridunterricht & Blended Learning

Begrifflichkeiten, Konzepte, Modelle & Methoden

In dem Blogbeitrag „Blended Learning – Grundlagen und Einführung“ habe ich das Prinzip der möglichst sinnvollen Mischung von Präsenz- und Online-Lernen vorgestellt und in dem folgenden

Blogbeitrag „Blended Learning – Unterrichtsplanung in Präsenz-, Hybrid- und Onlineszenarien“ insbesondere mit Blick auf Fortbildung und gemeinsame Unterrichtsentwicklung im Team konkretisiert.

In dem Blogbeitrag Blended Learning – 2 Methoden für den (Online-)Unterricht: EEE- & LPS-Methode stelle ich konkrete und praxistaugliche Ansätze vor, die auf dem Universal Design for Learning-Prinzip aufbauen und ein flexibles Austarieren pädagogisch-didaktischer Dimensionen ermöglichen.

Zum Hybridunterricht-Konzept ist ein echtes Gemeinschaftswerk aus dem #twitterlehrerzimmer unbedingt zu empfehlen: Hybridunterricht 101 (Hrsg. Tim Kantereit).
Dieses unter Mitwirkung von 33 Lehrerinnen und Lehrern entstandene Buch bietet zu drei aktuellen Leitfragen Impulse und konkrete Unterstützung: Wie baue ich (auch digital) eine starke Beziehung zu den Schüler:innen auf? Wie motiviere ich in digitalen Lernsettings? Wie gestalte ich Unterricht in Präsenz- und Fernlehre?


Wichtige Grundlage für jede reflektierte Planung: Ideen zur lernförderlichen Verknüpfung von Präsenz- und Distanzunterricht in einer NRW-Handreichung, inzwischen in zahlreichen Bundesländern erschienen (Axel Krommer, Philippe Wampfler, Wanda Klee).

Hybridunterricht und Blended Learning – Herausforderung und Chance zugleich

Manche Schulen haben diese krisenhafte Zeit für echte Entwicklungsschübe hin zu völlig neuen Lernkonzepten genutzt. Doch genauso ist natürlich ein ganz niedrigschwelliger und einfacher Einstieg in digitales Lehren und Lernen möglich – was derzeit vermutlich die Mehrheit der Schulen und Lehrpersonen betrifft. Doch der enorme (digitale) Entwicklungsschub, den viele Schulen in Deutschland in diesem Jahr erlebt haben, wird kurz- und mittelfristig die Schul- und Unterrichtsentwicklung – allen Widerständen zum Trotz – maßgeblich beeinflussen. Spätestens mit bereits wieder absehbaren Schulschließungen werden Lehrpersonen erneut vor der Herausforderung stehen, ihren Unterricht im Kontext der unterschiedlichen Szenarien flexibel als Präsenz-, Hybrid- oder Online-Konzept zu planen und Schulen vor der Herausforderung, ein integriertes Gesamtkonzept zu entwickeln.

Innovative Schulen als Chance für Lernen am Modell

Orientierung bieten in dieser herausfordernden Situation Einzelschulen, die konzeptuell vorangehen:

    • Schulen, die Modelle entwickeln und erproben, die auch unter erschwerten Bedingungen konsistentes Lehren und Lernen ermöglichen.
    • Schulen, die wichtige Erfahrungen sammeln, wenn es um die Gestaltung künftigen Lehrens und Lernens geht. Und vielleicht noch viel wichtiger:
    • Schulen, die durch eigene Aktivität den Teufelskreis aus veralteter Infrastruktur, fehlenden Fortbildungsinitiativen und ausbleibender Unterstützung durchbrechen und damit die recht bequeme Komfortzone ausgebremster Schul- und Unterrichtsentwicklung verlassen.
    • Schulen, die allen „Hybridunterricht benötigt doppelt so viele LehrerInnen und Räume“-Pessimisten entgegenhalten: „Hier ist unser Konzept für einen Hybridunterricht. Es benötigt 0 LehrerInnen und Räume zusätzlich.“ (Oliver Schmitz, KTS Köln-Kalk via Twitter)
Hybridunterricht in der Schulpraxis - Schulkonzept für Blended Learning in Corona-Zeiten (KTS Köln) 1
Oliver Schmitz, Schulleiter der KTS in Köln-Kalk (KTS 2020)

Vom Modell zur Praxis: Ein Schulkonzept als Praxisbeispiel

Ein interessantes Konzept für Unterricht in Hybrid- und Blended-Learning-Szenarien hat die Kaiserin Theophanu Schule (KTS) aus Köln-Kalk in einem Team von SchülerInnen, LehrerInnen und der Schulleitung entwickelt. Der Ansatz baut auf zentralen Erkenntnissen der letzten Monate auf und zeigt schon jetzt exemplarisch, wie aus einem reflektiert entwickelten Krisenkonzept des Jahres 2020 neue Ansätze für Schul- und Unterrichtsentwicklung unter den Bedingungen der Digitalität entstehen könnten.

In Zusammenarbeit mit dem Schulleiter der KTS, Oliver Schmitz, soll im Folgenden das Konzept (hier auch als PDF-Download) im Wortlaut vorgestellt und im weiteren Verlauf um Praxiserfahrungen der KTS ergänzt werden. So erhalten interessierte Kolleginnen und Kollegen u.a. mit dem Schulleiter-Interview zum Abschluss einen möglichst umfassenden Einblick in die Praxis.


Schulkonzept der Kaiserin Theophanu Schule (Köln) für den Hybrid- und Distanzunterricht

Hybridunterricht in der Schulpraxis - Schulkonzept für Blended Learning in Corona-Zeiten (KTS Köln) 2

Hybridunterricht

Was ist Hybridunterricht? 

Der Ausdruck hybrides Lernen wird verwendet, um die Verknüpfung von  Präsenzunterricht, also Lernen mit Lehrkraft im Klassenraum, und Online-Lernen zuhause zu definieren. Hybrides Lernen ist auch bekannt unter Blended Learning sowie integriertem Lernen. Ziel ist es, dass Präsenzunterricht und Online-Lernen  parallel stattfinden, und die Schüler:innen zuhause mit den Schüler:innen im Klassenzimmer digital verbunden werden. (Vgl. https://www.edu.de/lp/hybrid-schule)

Warum Hybride Teams?

In zwei Umfragen als Rückblick auf die Schulschließung (04/2020 und 06/2020) haben Schüler:innen, Eltern und Kolleg:innen der KTS als die vier größten Forderungen für den Hybrid- und Distanzunterricht benannt: 

    • einfache und verbindliche Struktur des Unterrichtstages
    • bessere Absprachen zwischen den Lehrer:innen im Hinblick auf die Menge der Aufgaben
    • besseres Feedback
    • bessere Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Schülerinnen

Das KTS-Konzept der Hybriden Teams, das vor den Sommerferien von einer Gruppe aus Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen erarbeitet wurde, versucht diese Forderungen zu erfüllen:

    • Es orientiert sich am normalen Stundenplan, um die für alle bekannteste Struktur des Unterrichtstages zu nutzen. 
    • Da Lehrer:innen so ganz normal ihre Stunden planen, können sie mit direkter Rückmeldung durch die Schüler:innen die Aufgabenmenge für ihre Stunden abschätzen.
    • Die Einteilung der gesamte Lerngruppe in wenige Hybride Teams sorgt automatisch für Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Schüler:innen, da diese in festen Teams eingeteilt sind, die zusammenarbeiten müssen. 
    • Zudem bietet die Reduzierung der Arbeitsergebnisse der Schüler:innen von vielen Einzelergebnissen hin zu wenigen Gruppenergebnissen die Möglichkeit für Lehrer:innen, besseres Feedback zu geben, ohne dass die Arbeitsbelastung unverhältnismäßig wird. Statt 30 Einzelrückmeldungen in den größten Klassen müssen Lehrer:innen für Hybride Teams „nur“ Feedback für 5 Gruppenergebnisse geben. Diese Entlastung macht ein häufigeres und qualitativ besseres Feedback möglich.

Was ist ein Hybrides Team?

Ein Hybrides Team ist eine Lerngruppe von sechs Schüler:innen. Fünfer- und Siebenerteams bilden die Ausnahme. Diese Gruppe wird dann noch bei einer Klassenteilung in zwei (A/B) oder bei einer Drittelung in drei möglichst gleiche Teile (A/B/C) aufgeteilt. Jeweils drei (Teilung) bzw. zwei (Drittelung) Mitglieder des Teams haben an einem Tag Präsenzunterricht in der Schule, die anderen sind im  Distanzunterricht zu Hause. Damit wechseln sie sich jeden Tag ab. Bei einer Teilung der Klasse haben alle Mitglieder eines Hybriden Teams nach zwei Wochen, bei einer Drittelung nach drei Wochen an allen Wochentagen Präsenzunterricht erhalten.

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Konzept „Hybrides Team“ an der Kaiserin Theophanu Schule Köln (Oliver Schmitz 2020)

Zusammenarbeit im Hybriden Team

Kern des Konzepts der Hybriden Teams ist es, dass die Mitglieder eines Teams  miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Je nachdem, wo ein Teammitglied gerade lernt – in der Schule oder zuhause – hat es unterschiedliche  Aufgaben. Alle Teammitglieder stehen in einem positiven Abhängigkeitsverhältnis zueinander, d.h. nur als Team wird man erfolgreich sein:

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Zusammenarbeit in Hybriden Teams (Konzept der KTS Köln-Kalk 2020)

Für diese Kommunikation und Zusammenarbeit sind alle – in der Schule und zuhause  – auf digitale Kommunikationswege angewiesen. In absteigender Reihenfolge (beste und gleichzeitig ressourcenintensivste digitale Kommunikation zuerst) wären die  Kommunikationswege: 

    • Videokonferenz in MS Teams (für alle/einige Hybride Teams) mit Ton
    • Videokonferenz in MS Teams ohne Ton
    • Chat in MS Teams
    • Gleichzeitiges Schreiben an einem gemeinsamen Dokument (z.B. OneNote,  Word, Etherpad)
    • E-Mail-Schreiben und –Empfangen
    • Telefonieren (über WLAN / Mobilfunknetz)
    • Ablage von Dateien in MS Teams

Genau dies ist einer der wichtigsten Punkte des Hybridunterrichtes. Wir müssen herausfinden, wie gut die schulische und häusliche IT-Infrastruktur (WLAN) diese Kommunikation, den ungewohnten Ansturm an digitaler Kommunikation, verkraftet. Sollten Kommunikationsschwierigkeiten auftreten, sind Einfallsreichtum und Kreativität gefragt: Wie können wir das Problem lösen, notfalls ohne auf das schulische WLAN zurückzugreifen? Anders als die Aufgaben, die in der Schule häufig gestellt werden, gibt es hier zunächst niemanden, der die beste Antwort weiß. Vielleicht ist das ja als Lernimpuls sogar besonders förderlich. 

Dieser Punkt muss fortlaufend untersucht und evaluiert werden, damit wir die besten Kommunikationswege auch für ungünstige Bedingungen finden. Darüber hinaus müssen alle Beteiligten mit digitalen Endgeräten und den notwendigen Programmen  ausgestattet sein. Jeder muss wissen, wie diese zu benutzen sind, wo sie zu finden sind und welche Zugänge (Benutzernamen und Passwörter) benötigt werden. 

Einteilung der Hybriden Teams

Die Einteilung der Hybriden Teams ist für die Sekundarstufe I und II unterschiedlich. Dies ergibt sich aus der einfachen Klassenstruktur der Erprobungs- und Mittelstufe und der komplexeren Kursstruktur der Oberstufe. 

a. Sekundarstufe I (Klassen 5-9)

Das Klassenlehrerteam teilt die Klasse pädagogisch sinnvoll in Hybride Teams ein. Bei 30 Schüler:innen in einer Klasse wären das fünf Hybride Teams. Praktische Philosophie, Evangelische Religion und Katholische Religion werden während des Hybridunterrichts parallel im Klassenverband (und nicht einzelnen Kursen) durchgeführt. Hier findet ein fächerverbindender Unterricht statt. 

In den Klassen 7-9 müssen die Klassenlehrerteams zusätzlich die erste  Fremdsprache (Latein/Französisch) berücksichtigen. Dazu werden in den Hybriden Teams entweder nur Lateiner:innen oder nur Französ:innen oder Gruppen mit einem ausgeglichenen Verhältnis (im besten Fall 3 Lateiner:innen und 3 Französ:innen) sein. 

Im WPII-Unterricht werden treffen Schüler aus mehreren Klassen zusammen. Dadurch entstehen zufällige Gruppen, deren Arbeit in Präsenz während des Probelaufs getestet wird.

b. Sekundarstufe II (Klassen EF-Q2)

Durch das Kurssystem gestaltet sich die Einteilung der Hybriden Teams in  der Oberstufe deutlich schwieriger. Die Schüler:innen wechseln an einem Tag mehrfach ihre Kurse und die Kurszusammensetzung. Um die Aufteilung möglichst einfach zu halten, dauerndes Fahren und Aufenthalt in der Schule ohne Präsenzunterricht zu vermeiden, wird die Jahrgangsstufe von der Schule nach Alphabet geteilt bzw. gedrittelt. So entstehen wie in der Sekundarstufe I bei einer Teilung für eine Jahrgangsstufe A/B- Tage bzw.  A/B/C-Tage (Drittelung). In den Kursen werden nach dieser Einteilung entsprechende Hybride Teams zusammengestellt. Dieses Verfahren hat einen Nachteil: Es kann geschehen, dass in einzelnen Kursen wenige Schüler:innen im Präsenzunterricht sind.

Stundenplan im Hybridunterricht

Der Stundenplan entspricht dem normalen Stundenplan des Präsenzunterrichts, aber in der Kurzstundenversion. Den Kurzstundenplan verwenden wir auch bei Hitzefrei. Dadurch stehen am Nachmittag zwei volle Zeitstunden (minus Fahrweg für  Schüler:innen, die an diesem Tag in der Schule waren) als Lernzeit zur Verfügung. Diese Lernzeit ist die Zeit für selbstgesteuertes Lernen. Die Schüler:innen können zum Beispiel:

    • eigenständig alleine arbeiten
    • in den Hybriden Teams Gruppenarbeiten erledigen
    • Fragen und Probleme gemeinsam klären
    • Beratung durch die Lehrer:innen bekommen
    • Videokonferenzen abhalten
    • die Inhalte des morgendlichen Unterrichts durchsprechen…
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Exemplarischer Stundenplan einer 8. Klasse an der Kaiserin Theophanu Schule Köln (Oliver Schmitz 2020)

Aufgabe als Lehrer:in

Als Lehrer:in an einem hybriden Tag hat man zunächst die Aufgabe, alle notwendigen Arbeitsmaterialien rechtzeitig für die eigenen Stunden in MS Teams zur Verfügung zu stellen. Rechtzeitig bedeutet: So, dass die Schüler:innen mit Stundenbeginn auch von zuhause arbeiten können. Dabei werden die Aufgaben vorzugsweise als Gruppenarbeiten für die Hybriden Teams gestellt. 

Weiterhin wird man vor allem am Anfang damit beschäftigt sein, die Kommunikation mit den Schüler:innen sicherzustellen, die zuhause arbeiten. Im der Lernzeit im Nachmittagsbereich ist man je nach Stundendeputat für Fragen erreichbar, gibt Feedback, plant seinen Unterricht…

Aufgabe als Schüler:in

Leistungsbewertung 

Die Teilnahme am Unterricht ist nicht freiwillig, sondern Schülerpflicht. Anders als im letzten Schuljahr wird der Hybrid- und Distanzunterricht als gleichwertig zum Präsenzunterricht gewertet (vgl. Zweite Verordnung zur befristeten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gemäß § 52). Alle Ergebnisse fließen gleichwertig in die Leistungsbewertung ein, egal wo die Aufgaben erledigt werden. Alle Schülerpflichten für den Präsenzunterricht gelten auch, wenn gerade von zuhause gearbeitet wird. 

Erste Voraussetzung: Digitale Arbeitsfähigkeit 

Grundvoraussetzung für das hybride Arbeiten ist es, jederzeit und an jedem Ort (zuhause / in der Schule) die Zugangsdaten für alle Programme und Tools zu kennen, die im Unterricht zum Einsatz kommen. Dies gilt vor allem für Microsoft 365 (Teams). 

Zweite Voraussetzung: Kenntnis des eigenen Hybriden Teams 

Auch die 5 Lernpartner:innen des eigenen Hybriden Teams müssen bekannt sein sowie die besten Möglichkeiten, diese zu kontaktieren. 

Distanzunterricht

Der reine Distanzunterricht – alle Schüler:innen und Lehrer:innen sind zuhause – funktioniert mit wenigen Ausnahmen genauso wie der Hybridunterricht. Einzig die zuvor beschriebene schwierige Einteilung der Klassen und Kurse in Hybride Teams entfällt in dieser Form, da kein Präsenzunterricht stattfindet. Die Schüler:innen-Teams, die nun alle von zuhause aus arbeiten, werden von jeder Fachlehrer:in für jede Lerngruppe nach pädagogischen Gesichtspunkten eingeteilt. Alle anderen Elemente bleiben bestehen.

Grundlage der vorliegenden Planungen: Schulgesetz NRW

Interview mit dem Schulleiter der Kaiserin Theophanu Schule (Oliver Schmitz)

Herr Schmitz, Sie erproben mit Ihrer Schule ein neues Gesamtkonzept für Hybridunterricht – gemeinsam von SchülerInnen, Eltern und KollegInnen entwickelt. Könnten Sie kurz Ihre ersten Eindrücke in der laufenden ersten Woche schildern?

Wir haben das Modell jetzt drei Tage lang erprobt, so dass wir einmal einen kompletten Durchlauf in den Hybriden Teams hatten. Das heißt, jede Schüler:in aus dem Team war bei einer Drittelung der Klassen und Kurse an einem Tag im Präsenzunterricht in der Schule. An jedem Tag haben jeweils 50 Personen aus jeder schulischen Gruppe in einem Padlet Feedback gegeben: Was lief gut? Was muss verbessert werden? Welche Ideen hast Du, um ein Problem zu lösen? 

Wegen der geringen Größe der Feedbackgruppe – auf die KTS gehen ca. 1000 Schüler:innen – ist diese Retrospektive nicht für ganze Schulgemeinschaft aussagekräftig, aber erste Hinweise gibt es schon. Erstens: Es geht. Wenn wir es noch länger ausprobieren würden, würde es noch besser laufen. Die Erwartungen dürfen hier auch nicht zu hoch sein. Immerhin ist diese Art des Lernens ziemlich neu und muss erprobt werden. Zweitens: Die Kommunikation in den Hybriden Teams hängt am schulischen, nicht am häuslichen WLAN. Dort, wo es in der Schule gut ist, klappt auch die Kommunikation. Drittens: Lehrer:innen und Schüler:innen kommen durch den Test in dieser Form des Unterrichtens an. Die Flure sind voll mit Gesprächen darüber, wie man unter diesen Bedingungen am besten lernt. 

Natürlich hakt es hier und da. Schüler:innen müssen lernen, mit der neu gewonnenen Verantwortung umzugehen oder anzuerkennen, dass ihre Leistung zählt, egal wo sie sich gerade aufhalten. Für mich als Lehrer war es schwierig, Verantwortung abzugeben und den Lernerfolg ein Stück weit dem Funktionieren der Technik auszuliefern. Wir werden mit Sicherheit auch einige Elemente des Modells grundsätzlich diskutieren, zum Beispiel die Zusammensetzung der Teams oder die Frage, ob der Stundenplan in Kurzstundenform sinnvoll ist. Wie gesagt, sollten wir irgendwann einmal hybrid unterrichten, werden sich im Laufe der Zeit einige Dinge von selbst ergeben, vor allem in der Didaktik und Methodik. Bei den technischen Schwierigkeiten hoffen wir darauf, dass sie der Schulträger möglichst schnell behebt.

Die Schulen in Deutschland haben seit März viele Erfahrungen sammeln können in Bezug auf Hybridunterricht und Blended Learning – welche Erfahrungen und Überzeugungen haben Sie bei der Konzeptarbeit geleitet?

Wir haben die schulischen Gruppen auch schon vor den Sommerferien mehrfach befragt, als wir im Distanzunterricht waren. Immer wieder sind vier Forderungen gestellt worden: Bessere Verteilung der Aufgabenmenge. Mehr Struktur für den Tag. Bessere Kommunikation unter den Schüler:innen. Mehr Feedback durch Lehrer:innen. Diese Forderungen setzen wir in unserem Konzept um: Der normale Stundenplan bietet die einfachste Struktur für den Tag, gibt einen klaren Rahmen für die Aufgabenmenge. Quasi als Nebenprodukt kann er das Betreuungsproblem lösen. Eltern von Kindern auf einer weiterführenden Schule wie der unseren sollen sich keine Gedanken darüber machen, ob sie zuhause bleiben müssen, um ihre Kinder zu unterstützen. Aus Homeschooling soll das werden, was es ist, wenn Schüler:innen zuhause lernen: Distanzlernen.

Kann das auch unter schwierigen Bedingungen und angesichts einer heterogenen Schülerschaft funktionieren?

Ich weiß nicht, ob wir bei uns schwierige Bedingungen haben. Obwohl wir ein Gymnasium des Standorttyps 5 sind – viele Familien im Einzugsgebiet leben unter herausfordernden Bedingungen – halte ich die KTS für ein ganz normales städtisches Gymnasium. Wir haben aber auf jeden Fall eine heterogene Schülerschaft. Heterogenität halte ich aber für jede Form des Lernens für hilfreich, auch für das Hybridlernen. Herausfordernd, aber am Ende hilfreich für alle.

Diverse PolitikerInnen betonen immer wieder, dass Präsenzunterricht auch unter erschwerten Bedingungen in der aktuellen Situation unerlässlich im Sinne der Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen sei (so kürzlich Katha Suding, deren Partei, die FDP, zuletzt noch mit dem Slogan “Digitalisierung first, Bedenken second” geworben hatte). Wie schätzen Sie dies ein? 

Wie wahrscheinlich jede Lehrer:in liebe ich den Präsenzunterricht: Mit echten Menschen, denen man vielleicht auch wieder ins Gesicht sehen kann, in einem Raum, der Funke springt manchmal über, das ist für mich die schönste Form des Lernens. Darauf kommt es aber gerade nicht an. Wir müssen das beste System für die aktuelle Situation finden. Und da darf es keine Denkverbote geben. Dieses Gefühl habe ich aber deutlich in letzter Zeit. Immer häufiger und lauter wird ein Festhalten am Präsenzunterricht mit dem Argument der Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit gerechtfertigt, wofür ich nur wenig Verständnis habe. Als ob wir in Deutschland noch nicht lange genug wissen, dass unser Bildungssystem eben nicht gerecht ist, die Chancen nicht gleich sind. Und zwar ausschließlich im Präsenzunterricht. Hier würde ich mir mehr Differenzierung und Eigenverantwortung für die einzelnen Schulen wünschen, das heißt kein gleiches System von der Kita bis zum Abitur. Und eine IT-Technik an jeder Schule, die Hybrid- und Distanzunterricht störungsfrei ermöglicht.

Und dann ist da ja noch das Argument, Hybridunterricht erfordere übermäßige Zeit- und Raumressourcen….

Wie man unserem Konzept entnehmen kann, brauchen wir im Vergleich zum reinen Präsenzunterricht keine Lehrer:innen und Räume zusätzlich. Die Anpassung an die andere Art des Unterrichtens erfordert zunächst von den Lehrer:innen mit Sicherheit mehr Vor- und Nachbereitung. Aber einstellen müssen wir dafür niemanden. Und die Räume werden leerer, nicht voller.

Können Sie schon jetzt einzelne Elemente Ihres Konzeptes hervorheben, die Sie auch nach Corona als Ansätze für Schul- und Unterrichtsentwicklung nutzen würden? 

Schul- und Unterrichtsentwicklung ist Sache der Schulkonferenz, in der Lehrer:innen, Schüler:innen und Eltern zu gleichen Teilen vertreten sind. Wir werden also genau untersuchen, was wir auch weiterhin nutzen wollen. Meine persönliche Meinung ist, dass alle Schulen endlich in der Kultur der Digitalität ankommen und damit zeitgemäßes Lernen ermöglichen müssen. Ich hoffe, unsere gemeinsamen Erkenntnisse der letzten Monate helfen dabei.


Kaiserin Theophanu Schule Köln-Kalk

Schulleitungsteam um Oliver Schmitz

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