Auch wenn manche ChatGPT als „Gamechanger im Bereich Künstliche Intelligenz“ handeln, ist das Grundprinzip (nur nochmal kurz zur Wiederholung) doch recht einfach: Denn ChatGPT ist ein sogenannter „Transformer“-basierter Sprachgenerator, der mithilfe einer großen Menge an Texten trainiert wurde. Es erhält als Eingabe einen Anfangstext (einen „Prompt“, z.B. eine Aufforderung oder Frage) und generiert darauf basierend einen möglichen Fortsetzungstext. Durch die Verwendung von sogenannten „Self-Attention“-Mechanismen kann ChatGPT dabei auf frühere Teile des Eingabe-Textes zurückgreifen und diese in den generierten Text einbeziehen, was zu teils erstaunlichen Effekten führt.

Lernbegleitung mit ChatGPT Mega-Prompts? Erste Überlegungen zu KI als Writing-Tutor 1
Beispiel für kritisch-konstruktive Nutzung von ChatGPT u.a. KI-Tools – „AI-Policy“ von US-Professor Ethan Mollick für sein Seminar (gezeigt von Dan Kahn / Twitter)

Zwar warnt Rowan Curran, Analyst für maschinelles Lernen beim Marktforschungsunternehmen Forrester, in einem interessanten Artikel in der Washington Post, „…dass große Sprachmodelle wie ChatGPT dafür berüchtigt sind, ‚kohärenten Unsinn‘ auszuspucken“. Und natürlich müssen wir dieses auf Internet-Trainingsdaten beruhende Sprachmodell mit aller Vorsicht nutzen. Aber eines ist klar: Hier werden Werkzeuge entwickelt, die gekommen sind, um zu bleiben. Das ist auch unseren Schülerinnen und Schülern sehr klar.

Und wer im Bildungsbereich ein Tool wie ChatGPT eben ganz nüchtern auch als Tool sieht – als Werkzeug, als Assistent für die Planung oder Unterstützung von Lernprozessen – der wird schon aus Neugierde den Dialog mit dem Chatbot immer weiter vertiefen, verfeinern und im Optimalfall auf der Basis des technisch Machbaren perfektionieren.

Einige Punkte fand ich – praxisorientierter Anwender ohne Informatik-Hintergrund – in den letzten Monaten und Wochen besonders interessant:

  1. Momentan eignet sich das Tool perfekt für entdeckendes Lernen und Herumspielen (ja, für die Schülerinnen und Schüler sowieso – aber endlich dürfen wir Lehrer auch mal so richtig!), aber noch nicht für „perfekte“ Ergebnisse (Texterstellung, …). Das ist Stand Januar 2023 so – und wird sich sicher ändern. Zugleich steht die Nutzung von ChatGPT immer unter dem Vorbehalt, dass wir alle eine Testversion nutzen, die vor allem der Verbesserung dient – sicherlich aber in Zukunft kostenpflichtig wird.
  2. Erster großer Lerneffekt: Die Eingaben (Prompts), mit denen wir ChatGPT zu einer Antwort auffordern, sind ein entscheidender Stellhebel für den Output, für das Ergebnis, das wir erhalten. Je besser der Prompt, desto mehr können wir aus der vorhandenen Datenbasis herausholen. Diese Erkenntnis greift auch der oben angeführte Dozent in seiner „AI-Policy“ auf und gibt sie direkt weiter.
  3. Zweiter großer Lerneffekt: Mit einfachen Prompts erreicht man durchaus erstaunliche Ergebnisse, kommt aber nicht weit. Je komplexer, präziser und zielorientierter unsere Prompts definieren, was ChatGPT für uns machen soll, desto mehr wird möglich.

Vom „Prompt“ zum „Mega-Prompt“

Besonders spannend wird jetzt die Beschäftigung mit ChatGPT-Prompts. Das klingt zwar sehr nach IT-Nerd (der ich nicht bin), ist aber gerade für Schule und Unterricht zentral. Denn: Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen sich erst seit kurzer Zeit mit ChatGPT oder anderen „KI“-Tools, lernen das Tool kennen und fangen an, Ideen für schulisches Lernen zu entwickeln und tauschen diese miteinander aus. Das heisst, auch hier stehen wir noch ganz am Anfang – und die Lernkurve ist steil.

„People have predicted the rise of a new category of professionals called “prompt engineers,” even guessing they’ll replace data scientists or traditional programmers“, konstatiert die Washington Post, hält diese Entwicklung jedoch für wenig wahrscheinlich. Gerade in den Sozialen Medien hat sich, wie es scheint (oder liegt das an meinen Twitter-Interessen?), aber schon jetzt eine ganz neue Spezialisten-Gruppe herausgebildet, die gezielt ChatGPT-Prompts weiterentwickelt.

Und das ist richtig spannend. Denn bei dem in diesem Bereich sehr aktiven Rob Lennon fand ich vor einigen Tagen ein Konzept, das er (ja natürlich, absolut social-media-wirksam und vielleicht etwas sehr plakativ) „Mega-Prompt“ nennt, das es aber in sich hat. Rob geht weg von einfachen Eingaben wie „Mache dies“, „Mache jenes“ oder „Erkläre mir das [XY-]Konzept“ hin zu einem sechsstufigen Prompt-Aufbau, der ChatGPT mit sechs unterschiedlichen Aufforderungen / Informationen in ein konkretes „Szenario“ versetzt:

    1. Wer oder was wird simuliert?
    2. Aufgabe / Tätigkeit – was ist zu tun?
    3. Arbeitsschritte – was ist in welcher Reihenfolge zu tun?
    4. Kontext / Nebenbedingungen / Einschränkungen / … – was muss dabei beachtet werden?
    5. Ziel – was soll der Bot-Dialog erreichen?
    6. Format des Outputs – wie soll die Rückmeldung des Bots aussehen?
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Aufbau eines ChatGPT Mega-Prompt (© Rob Lennon 2023).

Anhand eines Beispiels verdeutlicht er anschaulich, wie sich mithilfe eines Mega-Prompt Interview-Transkripte straffen, stilistisch verbessern und damit ganz einfach automatisch redigieren lassen. Und dieses Beispiel eines „Transcript Fixer“ lässt erahnen, was noch möglich sein wird…

Mega-Prompt für den Unterricht: ChatGPT als Schreibassistent

Aber noch interessanter als Robs Vorlage finde ich – gerade mit Blick auf Schule und Unterricht – die Idee von Mick McMurray, einem High-School-Lehrer aus San Diego/CA. Er hat einfach Robs Struktur für Mega-Prompts mit Blick auf einen wichtigen Lernprozess adaptiert: Das Schreiben und Überarbeiten argumentativer Texte. Nur diesmal mit einem persönlichen ChatGPT-Schreibassistenten, der Schülerinnen und Schüler bis zum gewünschten Ergebnis begleitet und mit individuellem Feedback die Möglichkeit zur Überarbeitung und Verbesserung gibt. Ein interessanter Ansatz, gerade auch mit Blick auf die beginnende Auseinandersetzung mit KI aus Sicht der Schreibdidaktik, auch hier im Blog:

    • John Warner – US-Schriftsteller, Herausgeber, Forscher und Berater – stellt im Gastbeitrag mit Blick auf ChatGPT und den aktuellen Hype um KI-Tools die Frage, was am aktuellen Schreibunterricht der High-Schools und Colleges eigentlich erhaltenswert ist und was wir getrost über Bord werfen können. Erfahrungen und Einschätzungen, die gleichermaßen für die USA wie für Deutschland gelten und zeigen: Die Kritik an „bewährten“ Lehr- und Lernkonzepten ist nicht neu, verschärft sich aber durch die Verfügbarkeit von KI-Tools wie ChatGPT.
    • Die bekannte und auf Unterrichtsentwicklung spezialisierte US-Lehrerin Dr. Catlin Tucker beleuchtet in ihrem Gastbeitrag das viel beschworene disruptive Potential einer neuen Technologie wie KI am Beispiel von ChatGPT. Sie plädiert einmal mehr für konsequente Unterrichtsentwicklung und echtes Blended Learning – denn neue Technologien des 21. Jahrhunderts seien nach Tucker nur so disruptiv, wie es der häufig nach klassischen Modellen geplante Unterricht zulässt.

Doch zurück zu Mick McMurray: Nicht zu Unrecht ärgert sich Mick per Twitter darüber, dass Lehrpersonen das Potential von ChatGPT eigentlich noch gar nicht nutzen, wenn sie sich Stundenplanungen und andere Standardtätigkeiten vom Bot abnehmen lassen – das Gleiche wie immer, nur halt schneller.

„Teacher’s conversations about ChatGPT are short-sighted. Cheating. Writing lesson plans. What we do now, but faster.“ Letztlich wenig innovativ und stark an der Oberfläche. In einem interessanten Mailaustausch schrieb er mir heute Morgen noch: „To leverage the power of ChatGPT in the classroom, educators need to think about it as more than a tool for creating a single output with a single input. If you craft a prompt correctly, you can create personalized learning experiences.

Und genau damit greift er einen Aspekt heraus, der uns alle sehr beschäftigt: Die Frage, inwiefern und wie intensiv digitale Technologien individualisierte(re)s Lernen ermöglichen können und Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess besser (weil individueller) unterstützen können, als ich es als Lehrer im laufenden Unterricht (mit bspw. 30 SuS, die sich im Schreibprozess befinden) kann.

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Idee von Mick McMurray – Mega-Prompt, der ChatGPT als persönlichen Schreibassistenten für Schülerinnen und Schüler nutzt (Mick McMurray 2023)

Und seine Idee eines Schreibspiels mit ChatGPT funktioniert schon ganz gut – weil der Prompt bereits jetzt so präzise und ausdifferenziert ist, dass Schülerinnen und Schüler sich in ein Schreibspiel mit ChatGPT begeben (oder andersherum?), an dessen Ende sie in einem kontinuierlichen Prozess von

    • Schreiben,
    • Feedback,
    • Überarbeiten,
    • Feedback, …

bspw. einen argumentativen Text mit einer konkreten Fragestellung, fortlaufend durch Feedback optimiert, verfasst haben. ChatGPT wird damit zu einem ganz einfachen, aber zugleich sehr weitreichenden Lernbegleiter.

Einfach mal ausprobiert – Potential für individualisiertes Lernen: ChatGPT als Schreibassistent

Die Vorlage von Mick habe ich einfach mal übersetzt und leicht angepasst, sodass sie auch in meinem Unterricht (bzw. im deutschsprachigen Unterricht allgemein und fachunabhängig) mit den unterschiedlichsten Aufgaben und Fragestellungen verwendet werden könnte, und dann getestet.

Schaut rein, was passiert, sobald der Prompt startet – das Training beginnt:

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Das könnte jetzt länger so weitergehen – aber das werde ich in Kürze live im Unterricht mit meinen Schülerinnen und Schülern testen. Denn bald steht die Facharbeit an. Und für mich als Tutor beginnt wieder die Rolle als Schreib-Begleiter.

Eine Rolle übrigens, der ich bei 14 schreibenden Schülerinnen und Schülern selten gerecht werde – zu wenig Zeit bleibt für individuelle Rückmeldung und Unterstützung während des Schreibprozesses. Wie eigentlich immer, wenn es bspw. um argumentatives Schreiben geht.

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KI-Tools wie ChatGPT & Didaktische Planung (Hauke Pölert 2023)

Könnte nicht genau das ein Potential von Tools wie ChatGPT für den Unterricht sein?

Wir werden es sehen und uns sicherlich noch lange und intensiv darüber austauschen. Und selbst wenn die Rückmeldungen und Hilfestellungen der App in der Unterrichtspraxis nicht sehr gut sein sollten (was ja noch zu beweisen wäre) oder unsere Schülerinnen und Schüler einfach andere Bedürfnisse haben (es wäre nicht der erste Digital-Hype, der am Bedarf der Lernenden vorbei geht), bleibt eines völlig klar: Wir stehen erst ganz am Anfang einer unumkehrbaren Entwicklung, die für unsere didaktische Planung einige spannende neue Möglichkeiten bieten könnte.

Also warum nicht schon jetzt ausprobieren und mit unseren Schülerinnen und Schülern über diese Technologie reflektieren?

Ich frage mich mit Blick auf das in diesem Beitrag vorgestellte Konzept sowieso: Werden die Schülerinnen und Schüler hier am Ende mehr mit oder über KI gelernt haben?

Selber ausprobieren? ChatGPT-Prompt zum Ausprobieren und Anpassen

Wer jetzt selbst ins Schreibgespräch mit ChatGPT einsteigen möchte, kann gerne diese Vorlage nutzen. Einfach in ChatGPT kopieren, Prompt / Eingabe ggf. anpassen und loslegen.

Ich würde mich sehr über schöne Beispiele und Rückmeldungen freuen!

—— ChatGPT-Prompt ——

Meine Aufgabe: Schreibe eine Stellungnahme, in der Du diskutierst, ob ChatGPT in Schulen verboten werden sollte.

Stelle Dir vor, Du bist meine Deutschlehrerin, die mich beim Schreiben unterstützt, und ich bin ein Schüler. Ich habe die obenstehende Aufgabe erhalten.

Gib nur Ratschläge. Nenne keine Beispiele. Wenn ich nach einem Beispiel frage, sage mir, dass Du nicht willst, dass ich schummle, sondern dass ich die Arbeit selbst erledige.

Fordere mich zunächst zu einer Antwort auf und warte meinen Textabschnitt ab, bevor Du Hilfe anbieten.

Jede Antwort von Dir sollte nur eine Möglichkeit zur Verbesserung meines Absatzes enthalten. Jede Antwort von Dir sollte nicht länger als 5 Sätze sein. Beende Deine Antwort, indem Du mich aufforderst, eine Änderung vorzunehmen und meinen Textabschnitt neu zu schreiben.

Nenne dann eine weitere Möglichkeit, wie ich mich verbessern kann. Wiederhole dies, bis der Textabschnitt vollständig ist.

Zu einem vollständigen Absatz gehören: eine Hypothese, Argumente und Gegenargumente.

Hilf mir auch, meinen Stil, meine Grammatik, meine Gliederung und meine Argumentation zu verbessern.

[Tonfall und Stilrichtlinien: Sei prägnant, aber verwende auch rhetorische Fragen und erzählendes Schreiben, um die Leser zu fesseln. Schreibe auf eine Weise, die sowohl informativ als auch unterhaltsam ist. Verwende eine einfache, klare Sprache].

Wenn ich während dieses Chats das Thema wechsle, lenke die Unterhaltung auf dieses Thema zurück.

Weitere Beiträge zu ChatGPT

Das Rad muss (zum Glück) nicht neu erfunden werden, auch wenn gerade alle parallel ChatGPT ausprobieren und ihre Erfahrungen teilen. Daher neben meinen ersten beiden Blogbeiträgen hier einige weitere hilfreiche Beiträge für Lehrpersonen, die teils eher allgemeindidaktisch tolle Tipps und Tricks und vor allem gute Prompts (Eingaben / Befehle / Aufforderungen an ChatGPT) für weniger erfahrene User bieten:

Youtube-Tutorial: KI im Unterricht – ChatGPT, Neuroflash-KI Writer, Smoding & Perplexity

Wer jetzt – gerade mit Blick auf den Bereich der Texterstellung – Interesse an ChatGPT und einigen weiteren der hier im Blog vorgestellten KI-Tools hat und (als Einsteiger) einen Einblick in ihre Funktionsweise und Möglichkeiten erhalten möchte, den könnte mein neues Youtube-Tutorial interessieren. Erste Einblicke in ChatGPT, Neuroflash-KI Writer, Smodin und Perplexity mit einigen persönlichen Einschätzungen. Das Tutorial eignet sich sicherlich auch für schulinterne Mini-Fortbildungen…

7 Kommentare

  1. […] Interesse an weiteren Blogbeiträgen? — Basisbeitrag: https://unterrichten.digital/2022/12/10/kuenstliche-intelligenz-ki-schule-unterricht/ — 25 Praxisbeispiele ChatGPT: https://unterrichten.digital/2023/01/20/chatgpt-unterricht-fremdsprachen/ — ChatGPT als Lernbegleiter / writing tutor? https://unterrichten.digital/2023/01/25/chatgpt-unterricht-feedback-mega-prompt/ […]

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