Stefan Muhle Impuls 2020 Schule 2030

Stefan Muhle, Staatssekretär

Im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung verantwortet Stefan Muhle die Erarbeitung eines Masterplans Digitalisierung und den Aufbau einer Koordinierungsstelle Digitalisierung. Ziel: Bis 2022 die flächendeckende Versorgung Niedersachsens mit Breitband-Internet, die Beschleunigung der Digitalisierungsprozesse in der Gesellschaft und die digitale Professionalisierung der Landesverwaltung Niedersachsen. Die Digitalisierung des Bildungswesens ist ihm ein Kernanliegen.

Haben sich jemals Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen so wenig auf Ferien gefreut, wie in diesem Jahr zu Ostern? Ein Grund dafür könnte sein, dass man in den Ferien nichts unternehmen kann, nicht raus darf. Ein weiterer Grund ist vielleicht aber auch, dass für viele junge Niedersachsen die Zeit spannender Digitalexperimente vorerst zu Ende geht. Es gingen plötzlich Dinge, die wahrscheinlich auch in fünf Jahren noch nicht denkbar gewesen wären. Alle Mitschülerinnen und Mitschüler in einem digitalen Klassenraum in einer Videokonferenz mit dem Mathelehrer, funktionierende Kommunikation zu Aufgaben und to do`s über die schulische Lernplattform oder die erstmalige Nutzung unbekannter Lernapps, die auf der Homepage der Grundschule empfohlen wurden. Bestimmt ist #homeschooling für jeden dieser Wege kein angemessener Hashtag. Bestimmt ist das, was hier probiert wurde auch nichts auf Dauer. Aber es macht mir unglaublich viel Mut für die nächsten Monate. Wir werden das zeitgemäße Lernen doch hinbekommen – und zwar kurzfristig. Wenn erstens, zweitens, drittens, viertens und fünftens – dazu gleich.

Wir werden das zeitgemäße Lernen doch hinbekommen – und zwar kurzfristig.

Stefan Muhle

Einen Gedanken möchte ich allerdings nicht unerwähnt lassen. Die Wochen der digitalen Bildungsexperimente in Niedersachsen haben auch gezeigt, dass die Gefahr besteht, dass Scheren (noch) weiter aufgehen (können). Zum Beispiel die Schere in den Schulen oder in den Klassen, weil nicht alle zuhause einen leistungsstarken Internetanschluss oder ein Endgerät zur Verfügung haben. Zum Beispiel aber auch die Schere zwischen den Schulen, weil nicht jede eine Digital-DNA hat. Aber kann uns diese Scherenangst davon abhalten, den digitalen Weg weiter zu gehen und Tempo zu machen? Nein, in keinem Fall – aber wir müssen behutsam sein und die Wirkung immer wieder reflektieren.

Ich höre in diesen Tagen, dass es in den Wochen digitaler Bildungsexperimente Dienstbesprechungen an Schulen gegeben hat, an denen erstmals ALLE Kolleginnen und Kollegen teilgenommen haben – weil es eine videobasierte Besprechung war. Der Alltag lässt sich bei jedem von uns leichter koordinieren, wenn er auf Fahrerei verzichten kann und Betreuungsfragen allein schon dadurch geregelt sind, dass man zuhause ist. Wir dürfen diese Form des persönlichen Organisationsfortschritts, den wir in den Wochen digitaler Bildungsexperimente erreicht haben, nicht mehr zurück drehen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, gibt uns die Möglichkeit, digital mit unseren Eltern, mit Freunden, Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bleiben, auch Halt und Kraft, wenn schon alles andere nicht mehr geht. So können wir uns zumindest noch eingeschränkt um einander kümmern.

Und wie bekommen wir es jetzt wirklich auf die Kette? Das zeitgemäßere Lernen? Das wichtigste vorweg: es klappt nur mit den Lehrerinnen und Lehrern, ihrem Engagement, ihrer Bereitschaft, Dinge mit unbekanntem Ausgang zu wagen – und ihrem Pragmatismus. Die Wochen digitaler Bildungsexperimente haben gezeigt, dass einem digital nichts peinlich sein muss. Einfach probieren, gemeinsam etwas neues lernen oder mit der Klasse Funktionsweisen zusammen erarbeiten – das ist wesentliche Voraussetzung.

Das wichtigste vorweg: es klappt nur mit den Lehrerinnen und Lehrern, ihrem Engagement, ihrer Bereitschaft, Dinge mit unbekanntem Ausgang zu wagen – und ihrem Pragmatismus.

Stefan Muhle

Wie geht es nach Ostern weiter? Fünf Punkte für Niedersachsen

Wie wird es nach Ostern in den Schulen weitergehen? Wie wird das Schuljahr im Zeichen des Infektionsschutzgesetzes zu Ende gehen? Weil das heute niemand weiß, sollten wir die aktuelle Situation neben der berechtigten Sorge um die Gesundheit aller für die Bildung als Chance verstehen. Und diese Chance nutzen wir, wenn wir in Niedersachsen jetzt fünf Dinge kurzfristig gemeinsam realisieren:

Lernmanagementsysteme

Erstens müssen alle Schulen in Niedersachsen kurzfristig ein Lernmanagemenstsystem haben. Am weitesten verbreitet sind wohl derzeit iserv, moodle und itslearning. Von den Schulen werden diese Systeme aktuell unterschiedlich intensiv genutzt. Ein Lernmanagementsystem ist die Basis für Kommunikation, Lernen und digitalen Fortschritt in der Schule. Die Niedersächsische Bildungscloud muss jetzt zügig auf den Markt – unsere Kinder würden sagen: jetzt ist jetzt und gleich ist gleich. Der gute Gedanke dieses Systems muss jetzt im Praxistest mit den Schulen weiterentwickelt werden und regelmäßige Updates bekommen. Die aktuelle Situation ist auch für dieses langjährige Projekt eine Chance. Wahrscheinlich auch schon die letzte.

Datenschutzkonforme Messenger

Zweitens braucht es jetzt eine laufend fortzuschreibende Liste datenschutzkonformer Messenger, Konferenztools und Apps, die in den Schulen eingesetzt werden dürfen. Signal, Threema, jitsi oder onlyoffice – alles gute und sichere Kommunikationskanäle. Keine Schule oder Schulleitung darf für Datenschutzfragen den Kopf hinhalten müssen. Hier muss das Land vorangehen und die Abstimmung mit dem Datenschutz übernehmen. Dabei kommt es darauf an, dass der schulische Alltag und die schulische Praxis im Mittelpunkt steht – Datenschutz muss praktikabel sein. Das bedeutet für mich in erster Linie, dass getrennt wird zwischen schützenswerten SchülerInnendaten einerseits und den Werkzeugen für den Lehr- und Lernbereich andererseits.

Digitale Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler

Drittens braucht jedes Kind ein Endgerät. Das erfordert eine Anerkennung mobiler Endgeräte als Lernmittel und eine entsprechende Klarstellung in § 71 des Niedersächsischen Schulgesetzes. In vielen Strategien und Papieren der vergangenen Jahre ist davon immer wieder die Rede gewesen – jetzt ist der Moment, Nägel mit Köpfen zu machen. Wie schnell ein Gesetz geändert werden kann, zeigen die Parlamente in Deutschland gerade bei anderen Themen.

Dienstgeräte für Lehrpersonen

Viertens bin ich Verfechter von Dienstgeräten für Lehrerinnen und Lehrer. Nicht nur, weil es heute eine Selbstverständlichkeit sein sollte, BeamtInnen des Landes mit angemessenem Arbeitsgerät auszustatten, sondern weil sich auch auf diesem Wege viele Datenschutzfragen erledigen. Die privaten Geräte der Lehrkräfte sind privat. SchülerInnendaten haben darauf nichts zu suchen. Die Mittel des Digitalpakts wären für Dienstgeräte gut angelegt. Hier muss zügig nachverhandelt werden.

Zentrale Orte – Bildungshubs    

Perspektivisch unumgänglich sind fünftens zentrale Orte in Niedersachsen, an denen Digitale Bildungshubs entstehen. Wir brauchen die Vernetzung, den Austausch und die Qualifikation von Lehrerinnen und Lehrern in Sachen Digitalisierung, Technik und zeitgemäßem Lernen. Berufsschulen eignen sich hier nach meiner Wahrnehmung in einem ganz besonderen Maße. Dort gibt es regelmäßig eine hohe digitale Affinität, eine technische Kompetenz und die Ausstattung ist häufig so, dass Demonstrationen und Versuche möglich sind.


In den letzten Monaten haben der Digitalminister und ich in Niedersachsen zahlreiche Digitale Orte ausgezeichnet. Darunter waren auch erste Schulen. Bei jedem Besuch war ich überzeugt, dass aus Engagement für die Digitalisierung oder zeitgemäßes Lernen immer auch gute schulische Praxis wird. Mit der Plattform Niedersachsen.digital haben wir jetzt in diesen Tagen eine Seite eingerichtet, die Menschen mit digitaler Affinität zusammenbringen soll. Egal aus welchem Lebensbereich, egal in welcher Ausprägung des Interesses und der Kompetenz – das ist der Weg, den ich in Niedersachsen für erfolgversprechend halte.

Austausch optimieren, voneinander lernen und ruhig auch gnadenlos abkupfern. Denn vieles ist digital in Niedersachsen schon so gut und durchdacht, dass es einfach übernommen werden kann. Auch an den Schulen.

Und eins ist mal klar: die Wochen digitaler Bildunsgexperimente werden im Nachhinein der Ursprung der zügigen Digitalisierung des Bildungswesens in Niedersachsen gewesen sein.

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